Unternehmerinnen und Unternehmer sollten sich fünf bis zehn Jahre vor dem Ruhestandsalter Gedanken darüber machen, wie ihr Unternehmen weiter geführt werden soll. Das raten die Industrie- und Handelskammern (IHK) in Rheinland-Pfalz. Der erstmals für das Bundesland erstellte „IHK-Nachfolgereport“ zeichnet jedoch ein anderes Bild: Oftmals zu spät und mit zu festen Vorstellungen machen sich Seniorchefs auf die Suche nach ihrem Nachfolger. Die IHKs setzen auf verstärkte Aufklärung und Initiativen der Politik.
Der Nachfolgereport basiert auf einer Umfrage der IHKs unter 12.000 rheinland-pfälzischen Unternehmen, deren Vorstände oder Inhaber 55 Jahre und älter sind. Als „Weckruf“ bezeichnet der Sprecher der IHK-Arbeitsgemeinschaft Rheinland-Pfalz, Arne Rössel, die Ergebnisse:
„Rund ein Drittel der befragten Unternehmer hat sich noch nicht mit dem Thema Nachfolgeplanung auseinandergesetzt. Berücksichtigt man Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Sachwerte in diesem Firmen, steht volkswirtschaftlich einiges auf dem Spiel, sollten diese Betriebsübergaben scheitern.“
Vor allem aus emotionalen Gründen gehen Unternehmerinnen und Unternehmer die Nachfolgeregelung zu spät oder gar nicht an. Ein Drittel der Befragten meint, dass es noch zu früh sei und noch viel Zeit bleibe, um sich über den langfristigen Fortbestand der Firma Gedanken zu machen. Bei annähernd einem Viertel (23,6 Prozent) gibt die emotionale Bindung an das Lebenswerk den Ausschlag für diese Einstellung. Aber auch die Altersvorsorge durch den Betrieb (19,3 Prozent) wird genannt. So möchten selbst drei von zehn über 65-Jährige ihr Unternehmen in den nächsten fünf Jahren noch nicht übergeben. Knapp jeder vierte von ihnen hat noch keinerlei Planung eingeleitet.
Bei der Übergabeplanung stellt die Suche nach einem geeigneten Nachfolger für 67,4 Prozent der Befragten die größte Herausforderung dar. Knapp die Hälfte der Unternehmer wünscht sich eine familieninterne Nachfolge. Doch der Nachwuchs tritt heute nicht automatisch in die Fußstapfen der Eltern. Arne Rössel schildert:
„In der Lebensplanung der sogenannten Generation Y haben sich die Schwerpunkte verschoben. Selbstverwirklichung, Freiheit, Balance von Familie und Beruf und die Suche nach sinnstiftender Tätigkeit stehen häufig in einem Spannungsverhältnis zum erlebten Unternehmeralltag und zur Erwartungshaltung des Seniors. So lauert bei familieninternen Übergaben bisweilen hohes Konfliktpotenzial.“
Daneben planen vier von zehn Unternehmern den Verkauf als bevorzugte Übergabemethode, haben aber aktuell mit der guten Arbeitsmarktlage zu ringen: Hochqualifizierte Fachkräfte ziehen lukrative Festanstellungen in den Metropolen einer Selbstständigkeit auf dem Land vor.
Als weitere Hürden nennen die Befragten die Einigung auf den richtigen Kaufpreis (45,9 Prozent), steuerliche Aspekte (44,9 Prozent), oder die Finanzierung der Übergabe (40,8 Prozent). Für solche und andere Herausforderungen im Übergabeprozess bieten sich die IHKs mit ihren Nachfolgelotsen und spezifischen Beratungsangeboten als Begleiter an.
Darüber hinaus sehen die rheinland-pfälzischen IHKs Handlungsbedarf bei der Politik. Gefordert sind der Abbau bürokratischer Hürden sowie steuerliche Anreize für Nachfolger und Übergeber. Arne Rössel fordert aber auch, die Unternehmensnachfolge als Gründungsalternative zu stärken: „Die Förderung junger, technologieorientierter Start-ups steht zu Recht im Fokus der Politik. Zum Erhalt von Know-how und Arbeitsplätzen sollte die Unterstützung von Firmenübergaben aber gleichwertig behandelt werden – etwa durch steuerliche Entlastung oder attraktive Förderprogramme.“