Das neuartige Coronavirus beunruhigt die Menschen weltweit. Ende Januar wurden erste Fälle in Deutschland bestätigt. Wie groß ist die Gefahr durch das neue Virus? Und wie kann man sich schützen? Anja Debrodt, Ärztin beim AOK-Bundesverband, über die wichtigsten Fragen:
Was ist über den neuartigen Erreger bekannt?
Der neue Erreger gehört zum Stamm der Coronaviren. Diese Viren sind meist auf bestimmte Tiere wie Vögel oder Säugetiere spezialisiert, die sie als Wirt befallen. Die normalen Coronaviren des Menschen führen meist nur zu leichten Erkältungen. Sie können aber auch zu sehr schwerwiegenden Erkrankungen führen, vor allem, wenn es ihnen beispielsweise gelingt, von Tieren auf den Menschen überzuspringen. 2002 bis 2003 hatte dies zur SARS-Epidemie geführt, die die Welt in Atem gehalten hat; 2012 kam die MERS-Epidemie im Nahen Osten. Viele Mediziner vergleichen das neue Virus mit dem SARS (Severe Acute Respiratory Syndrome)-Erreger. Viele Eigenschaften des neuen Coronavirus sind noch unbekannt, ebenso die Quelle. Die WHO hat dem Virus, das bislang als „2019-nCoV“ bezeichnet wurde, nun aufgrund seiner Verwandtschaft zum SARS-Coronavirus den offiziellen Namen SARS-Corona-Virus 2 (SARS-CoV-2) gegeben. Die durch das Virus ausgelöste Erkrankung wird Covid-2019 (Coronavirus Disease 2019) genannt. Derzeit gehen Seuchenexperten und -expertinnen davon aus, dass sich die ersten Patienten im Dezember 2019 auf einem Markt in der chinesischen Stadt Wuhan angesteckt haben.
Wie wird das Virus übertragen?
Der neue Erreger wurde wohl zuerst zwischen Tier und Mensch übertragen. Aber inzwischen verbreitet er sich durch eine Übertragung von Mensch zu Mensch. Klar ist, dass sich das neuartige Virus durch Tröpfcheninfektionen ausbreitet. Da der Erreger auch in Stuhlproben nachgewiesen wurde, ist auch eine Übertragung des Virus über das Verdauungssystem nicht auszuschließen. Das Virus kann sich zudem über Oberflächen ausbreiten, die häufig angefasst werden. Zudem könnte das SARS-Coronavirus-2 von einer erkrankten Mutter auf ihr neugeborenes Kind übertragen werden. Kinder im Mutterleib sind dagegen vermutlich vor einer Infektion geschützt, wie erste Erkenntnisse aus China zu Frauen im letzten Schwangerschaftsdrittel nahelegen.
Kann ich mich vor einer Ansteckung schützen?
Um eine Ausbreitung zu vermeiden und sich vor einer Ansteckung zu schützen, sollte auf eine gute Händehygiene geachtet werden. Das heißt, regelmäßig – etwa nach Fahrten in öffentlichen Verkehrsmitteln und vor jeder Mahlzeit – die Hände gründlich mit Seife waschen (mindestens 30 Sekunden einwirken lassen) oder desinfizieren. Zudem sollte ein Kontakt der Hände mit Mund, Nase und Augen vermieden werden. Husten und Niesen sollten in die Armbeuge erfolgen, damit der Erreger nicht über die Hand an Türgriffe oder ähnliches gelangt und sich so weiterverbreitet. Zu Infizierten und Erkrankten sollte Abstand gehalten und allgemein aufs Händeschütteln verzichtet werden. Diese Maßnahmen sind angesichts der derzeitigen Grippewelle in Deutschland jedoch generell angeraten.
Welche Symptome werden durch das Virus ausgelöst?
Infektionen mit dem SARS-Coronavirus-2 können unterschiedlich verlaufen. Bei einem Teil der Patienten beginnt die mittlerweile als Covid-2019 bezeichnete Erkrankung mit Fieber, trockenem Husten, Abgeschlagenheit und Muskelschmerzen. Innerhalb einer Woche kann dann eine zunehmende Atemnot infolge einer Lungenentzündung eintreten. Bei schwer erkrankten Patienten kann sich daraus ein akutes Atemnotsyndrom entwickeln, das eine mechanische Beatmung erfordert. Bei einem Teil der Infizierten zeigen sich aber auch nur leichte Erkältungssymptome wie Halsschmerzen. Vereinzelt kann es auch zu Durchfall kommen. Die zwischen der Ansteckung und dem Auftreten erster Symptome vergehende Zeit (Inkubationszeit) wird im Mittel auf fünf bis sechs Tage geschätzt, die kürzeste beobachtete Inkubationszeit betrug einen Tag, die längste 14 Tage.
Wie ist die aktuelle Lage in Deutschland?
In Deutschland sind bislang nur wenige bestätigte Infektionsfälle aufgetreten (Stand 27.02.2020), aber die Zahl steigt. Derzeit empfiehlt das RKI noch die sogenannte Eindämmungsstrategie, das heißt die Unterbrechung von Ansteckungsketten durch Quarantänemaßnahmen. Sobald in Deutschland mehr Fälle auftreten, die nicht mehr auf einen bereits bekannten Fall zurückgeführt werden können, soll die Strategie zur Bekämpfung schrittweise angepasst werden. Dann wird sich der Schutz stärker auf Personen und Gruppen konzentrieren, die ein erhöhtes Risiko für schwere Krankheitsverläufe aufweisen.
Was soll ich tun, wenn ich glaube, dass ich mich angesteckt habe?
Besonders aufmerksam sollten Menschen sein, die in den besonders betroffenen Ländern und Regionen wie China oder auch Norditalien waren oder Kontakt mit Infizierten oder Erkrankten hatten. Diese sollten, wenn sie Atemwegsbeschwerden, Fieber oder andere der oben erwähnten Symptome bei sich bemerken, sofort einen Arzt kontaktieren. Die Kontaktaufnahme sollte zunächst telefonisch erfolgen, damit durch geeignete Schutzmaßnahmen eine Weiterverbreitung des Virus verhindert werden kann. Bei Anzeichen einer SARS-CoV-2-Infektion werden Patienten umgehend im Krankenhaus isoliert. Es gibt mittlerweile einen Test, mit dem festgestellt werden kann, ob eine Infektion mit dem Virus vorliegt. Die Ärztin oder der Arzt, der bei einem Patienten den Verdacht auf eine Covid-2019-Erkrankung feststellt, aber auch das Labor, dass das Virus bei einem Menschen nachweist, muss dies unverzüglich dem Gesundheitsamt melden. Bei nachgewiesener Covid-2019-Erkrankung werden die Patienten und Patientinnen isoliert. Auch das Behandlungspersonal unterliegt strengen Hygienerichtlinien mit Schutzkleidung, Handschuhen und Atemmaske. So soll eine Weiterverbreitung der Erkrankung verhindert werden.
Ist es sinnvoll, eine Atemschutzmaske zu tragen?
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hält das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes (MNS) für Personen sinnvoll, die an einer akuten Atemwegsinfektion erkrankt sind und sich im öffentlichen Raum bewegen müssen. So lässt sich das Risiko einer Ansteckung für andere verringern. Dabei muss auf den korrekten Sitz des MNS genauso geachtet werden wie auf den regelmäßigen Austausch, denn die Atemmasken feuchten leicht durch. Korrekt sitzt der MNS, wenn Nase und Mund vollständig bedeckt sind. Bisher gibt es laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) keine Belege dafür, dass sich gesunde Personen durch das Tragen des MNS vor einer Infektion schützen können. Wer sich schützen will, sollte in erster Linie auf die korrekte Husten- und Niesetikette, die Händehygiene und das Abstandhalten – etwa ein bis zwei Meter von krankheitsverdächtigen Personen – achten (siehe auch: Kann ich mich vor einer Ansteckung schützen?).
Wie wird behandelt?
Eine spezifische Therapie gibt es für die Covid-2019-Erkrankung derzeit noch nicht. Die Behandlung erfolgt symptomatisch mit fiebersenkenden Mitteln, einer medikamentösen Therapie eventueller bakterieller Zusatzinfektionen der Atemwege bis hin zur Beatmung und vorübergehenden extrakorporalen Oxygenierung bei schwerem Atemnotsyndrom. An einem Impfstoff zur Vorbeugung gegen das neue Coronavirus wird noch gearbeitet. In China wird zudem in einer Studie mit an dem neuartigen Coronavirus erkrankten Patienten ein antivirales Medikament getestet, das bei SARS gute Ergebnisse gezeigt hatte.
Was ist bei Reisen zu beachten?
Auf den Internetseiten des Auswärtigen Amtes gibt es aktuelle Gesundheitsempfehlungen für Auslandsreisen. Vor Reisen in die chinesische Provinz Hubei wird derzeit gewarnt. Von nicht notwendigen Reisen in andere Landesteile von China mit Ausnahme der Sonderverwaltungszonen Hongkong und Macao wird bis auf weiteres abgeraten (Stand: 25.02.2020). Seit dem 23. Februar 2020 wurde für mehrere Orte in der Region Lombardei (Provinz Lodi südöstlich von Mailand) und Venetien (dort Provinz Padua) durch die lokalen Behörden ein Ein- und Ausreiseverbot für die betroffenen Gemeinden verhängt. Sämtliche Großveranstaltungen (unter anderem Sportevents, Karneval, Konferenzen) in diesen Regionen wurden abgesagt. Für die nächsten Tage bleiben Schulen und Universitäten in den Regionen Lombardei, Venetien, Emilia Romagna, Piemont, Friaul-Julisch-Venetien und der autonomen Provinz Trient geschlossen. (Quelle AOK Rheinland-Pfalz / Saar)