Organe spenden – Leben schenken
Die Initiative Organspende Rheinland-Pfalz informiert auf dem Rheinland-Pfalz-Tag in Bad Ems über lebensrettende Organspenden. Zwei Transplantationsbeauftragte berichten von ihren Erfahrungen.
Mehr als 400 Menschen stehen in Rheinland-Pfalz auf der Warteliste für ein lebensrettendes Organ – aber nur 11 Organspenderinnen und Organspender wurden in Rheinland-Pfalz von Januar bis Mai dieses Jahres verzeichnet. 30 Organe konnten damit für Transplantationen zur Verfügung gestellt werden. „Es setzen sich einfach zu wenige Menschen mit diesem Thema auseinander“, ist Felix Kindel, Transplantationsbeauftragter am Westpfalz-Klinikum Kaiserslautern, sicher.
Dazu bietet sich beim diesjährigen Rheinland-Pfalz-Tag eine gute Gelegenheit: Die Initiative Organspende Rheinland-Pfalz (IO-RLP) ist gemeinsam mit der Stiftung Organtransplantation (DSO) im Gesundheitszelt des Ministeriums für Wissenschaft und Gesundheit vertreten. An drei Tagen informieren Expertinnen und Experten der DSO und der IO-RLP über das Thema Organspende. Filme geben einen Einblick in das Leben einer jungen Frau, der ein gespendetes Herz das Leben rettete, und in die Situation einer Familie, deren Sohn zum Organspender wurde. Neben einem Erklärfilm und gedrucktem Infomaterial finden die Besucherinnen und Besucher Organspendeausweise zum Ausfüllen. Zu sehen sind auch Dankesbriefe von Menschen, die ein Organ empfangen haben. Der Infostand ist zu finden beim
Rheinland-Pfalz-Tag 2023 in Bad Ems
Termin: 16. – 18. Juni 2023
Ort: Treffpunkt Rheinland-Pfalz, Römerstraße, Zelt Nr. 8708/8709
Organspende aus der Sicht zweier Transplantationsbeauftragter
„Entscheidend ist, dass die Menschen sich informieren, ihre persönliche Entscheidung für oder gegen eine Organspende treffen und diese in einem Organspendeausweis dokumentieren“, findet Dr. Andreas Molitor, Intensiv- und Notfallmediziner und seit vielen Jahren Transplantationsbeauftragter im Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein, das seinen Sitz in Koblenz hat. Die Angehörigen von potenziellen Spendenden fühlten sich in der Stunde des Abschieds meist nicht in der Lage, eine Entscheidung zu treffen. Sie könnten nicht einschätzen, wie sich der verstorbene Mensch entschieden hätte, und lehnten die Spende aus dieser Unsicherheit heraus mehrheitlich ab.
„Die Angehörigen sind in einer emotionalen Ausnahmesituation“, weiß auch Molitors Kollege Felix Kindel vom Westpfalz-Klinikum. „Sie verlieren einen nahestehenden Menschen, und das durch einen Hirntod, der schwerer fassbar ist als beispielsweise ein Herzinfarkt.“ In dieser Phase muss der Transplantationsbeauftragte den Angehörigen nicht nur die Unumkehrbarkeit des Sterbeprozesses vermitteln. Er ist auch verpflichtet, sie auf eine Organspende anzusprechen. Dabei stellen Kindel und Molitor immer wieder fest: Wenn sie zustimmen, ist die Aussicht, jemandem das Leben zu retten, für viele Angehörige ein Trost – umso mehr, wenn sie sicher sein können, dass dies dem Wunsch des verstorbenen Menschen entspricht. „Aber auch ein klares Nein im Spenderausweis ist in dieser Situation hilfreich“, betont Kindel. Wichtig ist ihm auch festzustellen, dass niemand zu einer Spende überredet werde: „Die Entscheidung muss jeder Mensch selbst treffen.“
Eine verantwortungsvolle Aufgabe
Hauptamtliche Transplantationsbeauftragte sind an Krankenhäusern in Deutschland Pflicht. Sie erarbeiten und überwachen standardisierte Abläufe der Organspende für ihr Krankenhaus, bilden das Personal entsprechend weiter und stehen in engem Kontakt mit der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), die die verschiedenen Schritte des Organspendeablaufs koordiniert. Transplantationsbeauftragte begleiten die Patientinnen und Patienten schon auf den Intensivstationen und können so frühzeitig erkennen, ob eine Erkrankung auf einen unumkehrbaren Hirnfunktionsausfall hinauslaufen könnte – denn dieser ist die Voraussetzung für eine Organspende. Möglicherweise kommen sie schon in dieser Phase in Kontakt mit den Angehörigen.
Transplantationsbeauftragte durchlaufen eine mehrteilige Fortbildung. Sie umfasst beispielsweise gesetzliche Grundlagen, Spendererkennung, Todesfeststellung mit Diagnostik des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls und Angehörigenbetreuung. Qualifizieren können sich Ärztinnen und Ärzte sowie erfahrenes Intensivpflegepersonal.
Dramatischer Rückgang von Organspenden in Rheinland-Pfalz
Andreas Molitor vermutet hinter den stark zurückgegangenen Organspenden die Fülle an schwierigen Themen, die seit Corona den Alltag beherrschen: „Der Krieg, das Klima und all die anderen Krisen sind deprimierend genug – da will man sich noch weniger als sonst mit dem eigenen Tod befassen.“ Andererseits könne jeder Mensch selbst in eine Situation geraten, in der er dankbar für eine Spende sei, ergänzt Felix Kindel und ermutigt dazu, die Frage aus dieser Perspektive zu betrachten. Er erlebt nach wie vor eine große Skepsis gegenüber Organspenden: „Viele glauben zum Beispiel nicht, dass die Entnahme mit der gleichen Sorgfalt durchgeführt wird wie jede andere Operation.“ Dabei weiß er es besser, denn als Viszeralchirurg war er in seiner früheren Tätigkeit an Organtransplantationen und Organspenden beteiligt.
Stößt die Entscheidungslösung an ihre Grenzen?
In Deutschland gilt die sogenannte Entscheidungslösung, nach der ohne Zustimmung der betreffenden Person zu Lebzeiten oder ihrer Angehörigen eine Organentnahme nicht zulässig ist. „Aufklärung ist für eine überlegte Entscheidung sehr wichtig“, betont Dr. Matthias Krell, Geschäftsführer der LZG, bei der die Initiative Organspende angesiedelt ist. „In Rheinland-Pfalz bewegt sich die Zahl der Spenderinnen und Spender aktuell auf einem historischen Tiefststand. Gleichzeitig sterben in Deutschland jedes Jahr 700 bis 800 Menschen, weil es kein passendes Organ gibt. Auf dem Rheinland-Pfalz-Tag erreichen wir viele Menschen, bei denen wir mit unseren Informationen einen Prozess der Auseinandersetzung und Entscheidung anstoßen wollen.“
Auch Andreas Molitor und Felix Kindel betrachten es als ihre Aufgabe, dem Thema Aufmerksamkeit zu verschaffen – sei es durch Vorträge an Universitäten und Pflegeschulen, sei es durch Öffentlichkeitsarbeit. Gleichzeitig plädieren sie für die Einführung der Widerspruchsregelung. Dann müsste man einer Organspende nicht – wie jetzt – ausdrücklich zustimmen, sondern man müsste sie ausdrücklich ablehnen. „Lange Zeit war ich der Meinung, eine Spende sollte in jedem Fall freiwillig sein“, sagt Andreas Molitor. „Mittlerweile bin ich aber der Überzeugung, dass wir mit der Entscheidungslösung einfach nicht weiterkommen. Leider.“ (Quelle Gesundheitsförderung RLP)