Limburg. Zwei Varianten sind für den Limburger Neumarkt denkbar: Die eine geht von einer kompletten Umgestaltung des Platzes nach den Plänen von Dutt & Kist und einem Austausch der Platanen aus, die andere sieht von der Umgestaltung zu Gunsten der Platanen ab, was aber zu Einschränkungen bei der künftigen Nutzung des Platzes führt. Die Platanen auf dem Limburger Neumarkt sind aktuell vital und verkehrssicher und damit auch erhaltenswürdig und erhaltensfähig. Dies bescheinigt ein Gutachten den Bäumen. Damit dies so bleibt, bräuchten die Platanen mehr Platz. Konkret: Sechs Meter breite Streifen müssten entlang der Baumreihen entsiegelt werden.
Grund dafür ist der Sauerstoffbedarf der Bäume. Den finden sie nicht in der Tiefe, sondern direkt unter dem Pflaster. Schon jetzt ist zu sehen, dass die Bäume mit ihren Wurzeln aus den bestehenden Baumscheiben drängen. Damit die Sauerstoffzufuhr für die Bäume gewährleistet bleibt, dürfen die entsiegelten Flächen nicht mit Autos oder anderen schweren Geräten befahren werden. Dennoch würden die Wurzeln der Bäume weiterwachsen und aus den entsiegelten Flächen und dem Pflaster drängen (Stolpergefahr).
Der bisher praktizierte Rückschnitt der Bäume alle zwei Jahre muss dabei beibehalten werden. Laut Stadtgärtnerei hat der starke Austrieb aus den sogenannten Köpfen keine stabile Verbindung zum Hauptast. Die Äste würden abbrechen und eine Gefahr bilden. Daher müssen sie abgeschnitten werden.
Was den Bäumen aber nutzen würde, würde den Limburger Veranstaltungen wie Weinfest, Summer Games, Christkindlmarkt und auch dem Wochenmarkt schaden. Ihnen stünde dann nicht mehr der komplette Neumarkt zur Verfügung, sondern nur noch die versiegelte Fläche zwischen den Bäumen. Die Veranstaltungen könnten laut Stadtmarketing und Ordnungsamt also nicht mehr im gewohntem Ausmaß auf dem Neumarkt stattfinden. Konkret würde das ein Weinfest mit fünf bis sechs Ständen statt bisher 17 auf dem Neumarkt bedeuten. Auch der Wochenmarkt müsste stark verkleinert werden. Parallelnutzungen des Platzes, wie sie aktuell bei Weinfest und Christkindlmarkt jeweils zusammen mit dem Wochenmarkt am Samstag praktiziert werden, sind ausgeschlossen. Ganz wesentlich sind nach Stellungnahme der Fachämter aber die Einschränkungen, die sich beim Anfahren des Platzes ergeben würden.
Auch eine Neugestaltung des Neumarktes nach den bisherigen Planungen des Büros Dutt & Kist wäre damit nicht umsetzbar. Das Baumgutachten aus 2012 vom Sachverständigen Büro Leitsch aus Nauheim verdeutlicht dies: „Eine Platzumgestaltung kann aus fachlicher Sicht nur dann baumverträglich durchgeführt werden, wenn ein Eingriff in die durchwurzelten Schichten und eine Beeinträchtigung der Wurzeln (Verletzungen, weitere Verdichtung, Bodenauftrag) unterbleibt.“ Eine Mitteilung über die Fertigstellung des Gutachtens und seinen Inhalt ging 2012 an den Magistrat und den Ausschuss für Umwelt und Energie, mit dem Hinweis, das komplette Gutachten im Fachamt einsehen zu können. Auch im Ausschuss für Stadtentwicklung, Wirtschaft und Verkehr beschäftigte man sich 2012 mit dem Gutachten. Bürgermeister Dr. Marius Hahn hat nun auch veranlasst, dass das Gutachten für Jedermann auf der Website der Stadt Limburg (Sonderseite Neumarkt) einsehbar ist.
Gutachter Eiko Leitsch bestätigte nach erneuter Beauftragung das Gutachten von 2012. Durch eine Erneuerung des Pflasters und weitere Maßnahmen wie das Wasserspiel und Spielgeräte, die aktuell geplant sind, wird beim Bauen zwangsläufig in die durchwurzelten Schichten eingegriffen. Im Gutachten heißt es dazu: „Dieser Eingriff hätte somit einen Verlust von Wurzeln aller Stärken zur Folge. Aus fachlicher Sicht wird dies als kritisch eingestuft.“
Er machte dies in Arbeitsgesprächen in der Verwaltung, im Magistrat und auch in der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung, Wirtschaft und Verkehr mit rund 150 Bürgerinnen und Bürgern auf dem Neumarkt deutlich. Er betonte, dass eine Beeinträchtigung der Wurzeln durch Bauarbeiten zu Vitalitätseinbußen und Standsicherheitsproblemen der Bäume führen kann. Abgestorbene Äste, die herabfallen können, werden damit zur Gefahr. Schäden am Wurzelwerk eines Baumes seien das, was seine Baumkontrolleure am meisten fürchten. Der Baum würde noch lange gut und vital aussehen und scheinbar ganz plötzlich fallen Äste ab.
Die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger stehe immer an oberster Stelle. Daher spricht sich Bürgermeister Dr. Marius Hahn gegen ein solches Vorgehen aus. „Mit mir als Bürgermeister gibt es keine Neumarktumgestaltung mit den Platanen. Keiner kann Schäden und damit eine Gefahr ausschließen.“ Dr. Hahn betont dabei, dass die zweite Beauftragung des Gutachterbüros Leitsch die Sichtweise darauf geschärft habe: „Gutachter Leitsch hat sehr eindeutig gesagt, welche zwei Möglichkeiten wir haben.“
Entscheidet man sich, den aktuellen Entwurf des Büros Dutt & Kist umzusetzen, müssten die Platanen also entnommen und durch andere Bäume ersetzt werden.
Gutachter Leitsch empfiehlt bei einem solchen Vorgehen für die neuen Bäume die bestmöglichen Lebensbedingungen zu schaffen. Das bedeutet pro Baum Baumgruben mit einer Größe von mindestens 12 Kubikmetern. Die Grube würde mit entsprechendem Substrat gefüllt und eine offene Baumscheibe von 1,5 auf 1,5 Metern bekommen. Wichtig sei die Durchlüftung der Baumgruben.
Auch Bürgermeister Dr. Marius Hahn spricht sich für diese Variante aus. „Das ist ein Schritt Richtung Zukunft, eine Chance, unsere Innenstadt attraktiv zu gestalten und zu beleben.“ In der Umgestaltung sieht er auch eine Chance für neue Bäume. „Sie bekommen die bestmöglichen Lebensbedingungen und werden damit von Anfang an fit für die Zukunft gemacht. Auch das ist ein Beitrag für eine bessere Stadtluft.“
Zum Hintergrund: Es gab verschiedene Entwürfe zur Umgestaltung des Neumarktes, immer unter Kenntnis des Baumgutachtens von 2012: 2012 legten die Bietergemeinschaft Dutt & Kist GmbH und die artec Ingenieurgesellschaft zwei Entwürfe zur Umgestaltung des Neumarkters vor. Der erste sah neue Bäumen vor, um den gesamten Gestaltungspielraum auszuschöpfen und neuen Bäumen optimale Standortbedingungen zu geben.
Der zweite Entwurf plante mit den Bestandsbäumen, sah drei mal drei Meter große entsiegelte Baumscheiben und Wurzelbrücken vor und machte deutlich, dass „lediglich eine sehr subtile Anpassung der Oberflächenmodellierung“ möglich ist und „ergänzende Einbauten und Infrastruktur nur begrenzt umsetzbar“ sind. In einer Stellungnahme stellen die Planer auch die Risiken dar: Setzungen im Belag, Aufwölbungen im Pflaster und erhöhter Pflegeaufwand bis hin zur Entnahme von Einzelbäumen durch mögliche Schäden an den Wurzeln werden genannt.
Den Entwurf mit den Bestandsbäumen lehnten die Stadtverordneten 2015 ab, sodass es 2019 zu einem Interessensbekundungsverfahren und einer Mehrfachbeauftragung kam. Der Magistrat favorisierte den Entwurf des Büros Dutt & Kist, da dabei die geforderten Eckpunkte am besten berücksichtigt und umgesetzt sind.
Die Stadtverordnetenversammlung entscheidet am Dienstag, 3. September, über die Zukunft des Neumarktes und damit auch über die Platanen. (Stadt Limburg)