Die Bahnhofstraße in Montabaur wird von Grund auf saniert und neu gestaltet. Dazu hatte die Stadt Montabaur einen Planungswettbewerb ausgeschrieben, den das Büro TDB Landschaftsarchitektur aus Berlin gewonnen hat. Der TDB-Entwurf verbindet eine klare Ordnung der verschiedenen Verkehrsformen und Straßenfunktionen mit einer durchgängigen Gestaltung und setzt einzelne Akzente, die die Geschichte der Straße und der Stadt herausstellen. Außerdem wird der Verlauf des Stadtbachs nachgezeichnet und der Schlossberg als „Wald in der Stadt“ klar von der Straße abgegrenzt. Diese wird künftig den Charakter eines städtischen Boulevards haben. Eine Ausstellung im historischen Rathaus zeigt alle neun Entwürfe des Planungswettbewerbs. Der Stadtrat entscheidet im Herbst über die Auftragsvergabe.
Der Entwurf von TDB Landschaftsarchitektur
„Die Bahnhofstraße zeigt in Abschnitten exemplarisch einen Abriss der städtebaulichen Entwicklung Montabaurs. Beginnend mit den Fachwerkgebäuden aus dem 16 Jahrhundert am Kleinen Markt über die gründerzeitliche Epoche und die Frühphase des 20 Jahrhunderts bis zur aktuellen Bebauung im Aubachviertel und rund um den ICE-Bahnhof.“ Ausgehend von dieser Analyse beschreibt das Team von TDB Landschaftsarchitektur unter der Leitung von Karl Thomanek den Grundgedanken für den vorgelegten Entwurf: „Die Neugestaltung der Straße fügt diese unterschiedlichen Phasen der städtebaulichen Entwicklung in eine Leitlinie … zusammen und verdeutlicht durch jeweils spezifische Gestaltungelemente die einzelnen Epochen.“ Wichtigstes Thema ist allerdings der Verkehr, denn die Bahnhofstraße ist Teil der Hauptverkehrsachse der Stadt. So ist im mittleren Abschnitt zwischen Alleestraße und Wallstraße eine asphaltierte Fahrbahn für motorisierte Fahrzeuge geplant, Rad- und Fußwege mit Natursteinpflaster auf beiden Seiten und Parkbuchten längs der Fahrbahn auf der dem Schlossberg gegenüberliegenden Straßenseite. In den anderen beiden Straßenabschnitten sind weitere Stellplätze vorgesehen. „Die genaue Anzahl und Lage der Stellplätze steht heute noch nicht fest. Das wird erst in der weiteren Planung entschieden“, erläuterte Stadtbürgermeisterin Gabi Wieland, die um die Sorgen der Anlieger weiß.
Eine Baumreihe aus Winterlinden wird sich vom Alten Bahnhof bis zur Einmündung der Wallstraße erstrecken; im Einbahnbereich (obere Bahnhofstraße) sind keine Bäume vorgesehen, denn „das gab es im Mittelalter auch nicht. Es wäre also historisch falsch“, so Thomanek bei der Präsentation seines Entwurfs im Montabaurer Rathaus. Der Verlauf des Stadtbachs, der unter der Bahnhofstraße in einem eigenen Rohrsystem fließt, soll durch einen Pflasterstreifen aus Kieselsteinen nachgezeichnet werden; vor dem Gebäude der Post und vor dem Amtsgericht sollen oberirdische Wasserläufe an den Stadtbach erinnern. Der Platz vor dem Amtsgericht und der gegenüber liegende Rudolf-von Habsburg-Platz sollen nach den Ideen von TDB als Einheit betrachtet und den attraktiven Mittelpunkt der mittleren Bahnhofstraße bilden. Auch vor dem Postgebäude soll ein Platz mit Sitzgelegenheiten und Wasserspielen entstehen, eine Stele könnte an das Eschelbacher Tor erinnern, das sich einst in dem Bereich befand. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite wird ein durchgehender Sockel den Schlossberg von der Straße abgrenzen; allerdings sollen die Einstiege in den Schlossberg sowie die dortigen Spazierwege leicht erkennbar und schön gestaltet werden. „Wir wollen nicht, dass der Wald und die Straße an dieser Stelle zusammenwachsen. So stärken wir den je eigenen Charakter“, beschreibt Thomanek die Idee dahinter.
Die obere Bahnhofstraße zwischen Wallstraße und Kleinem Markt wird flächig mit Naturstein gepflastert, es gibt keine Absätze, lediglich die Fahrbahn wird durch einen andersfarbigen Pflasterstreifen markiert. Die Gehwege bieten Platz für Außengastronomie; außerdem wird es Sitzbänke und Parkplätze geben. „Die zurückhaltende Gestaltung und das durchgängige Natursteinpflaster lassen eine flexible Umnutzung einzelner Bereich zu, ohne dass man groß umbauen muss“, stellt Thomanek die Vorteile heraus.
Die untere Bahnhofstraße zwischen Alleestraße und Altem Bahnhof will Thomanek „überhaupt erst wieder sichtbar machen“, denn man könne von der Innenstadt kommend kaum erkennen, dass die Bahnhofstraße jenseits des Verkehrskreisels noch weitergeht. Dazu werden die Gestaltungselement aus dem mittleren Teil fortgesetzt, auch über die Hohe Straße hinaus ins Aubachviertel hinein, „damit man den heutigen Bahnhof auch finden kann“, so Thomanek. Schließlich führen Bahnhofstraßen üblicherweise zum Bahnhof.
Wettbewerb und Preisgericht
Die Neugestaltung der Bahnhofstraße ist eine sehr komplexe Aufgabe, da sich die Straße nicht nur in drei unterschiedliche Abschnitte unterteilt, sondern auch viele Verkehrsformen und Funktionen hat und Anlieger wie Nutzer vielfältige Bedarfe haben. Deshalb hatte sich die Stadt entschieden, einen Planungswettbewerb auszuloben. Der Wettbewerb folgte den offiziellen Richtlinien für Planungswettbewerbe (RPW) und hat damit einen festgelegten Ablauf. Die Ziele und Anforderungen für den Wettbewerb wurden im Zusammenspiel von Stadtrat, Verwaltung und zwei Anliegern aus der Bahnhofstraße erarbeitet. Sie umfassten die Kategorien Leitidee, Gestaltungsqualität, Stadtraum und Identität, Angemessenheit der Mittel und Materialien, Umgang mit Schnittstellen zur Umgebung, Funktionalität, Wirtschaftlichkeit im Bau und im späteren Unterhalt, Nachweis von Parkplätzen sowie Barrierefreiheit. Diese Kriterien waren Teil der Wettbewerbsausschreibung, ebenso eine Bewertungsmatrix anhand derer das Preisgericht die eingereichten Entwürfe bewertete. Der Wettbewerb war europaweit ausgeschrieben und für 20 Teilnehmer ausgelegt, allerdings reichten nur neun ihre Arbeiten ein. Diese wurden jetzt von einem Preisgericht begutachtet und anonym bewertet, denn es sollte der beste Entwurf unabhängig vom Planungsbüro gekürt werden. Erst am Ende der Sitzung wurde bekanntgegeben, wer hinter dem Siegerentwurf steht. „Es war eine anspruchsvolle Aufgabe, alle Vorgaben unter einen Hut zu bringen und ein einheitliches Konzept vorzulegen.“, stellte Prof. Eva von Mackensen fest. Sie hatte den Vorsitz im 13-köpfigen Preisgericht übernommen und präsentierte nun die Ergebnisse im Rahmen der Eröffnung der Ausstellung, die alle Entwürfe zeigt. „Die Planer von TDB haben sich intensiv mit der Situation vor Ort vertraut gemacht und erkannt, welches Potential darin steckt. Die Flexibilität, die das Gesamtkonzept in der Umsetzung zulässt, hat das Preisgericht überzeugt“, würdigte sie den Sieger. Auch für den zweite Preis, der an das Büro (f) landschaftsarchitektur aus Solingen ging, fand sie lobende Worte: „Die Idee, den Vorplatz des Alten Bahnhofs einzubeziehen, ist klug durchdacht.“. Gregor Bäumle vom Büro Bäumle Architekten Stadtplaner, das mit der Durchführung des Wettbewerbs beauftragt war, beschrieb den Ablauf und bescheinigten allen Teilnehmern, ein hohes Qualitätsniveau: „Keine Arbeit lag daneben, alle haben die breit gefächerten Anforderungen erfüllt.“ Auch Stadtbürgermeisterin Gabi Wieland war sichtlich beeindruckt von der Vielfalt, besonders aber vom Siegerentwurf. „Jetzt wird die Vergangenheit mit der Zukunft verknüpft“, sagte sie und fügte mit Blick auf das nächste Jahr an: „Ich freue mich sehr auf die konkrete Ausarbeitung und Detailplanung, die jetzt ja erst anfängt“.
Wie geht es weiter?
Die Ausstellung in der Bürgerhalle im historischen Rathaus ist bis zum 19. Juli aufgebaut. Interessierte können sie zu den üblichen Öffnungszeiten der Verwaltung besichtigen. Im nächsten Schritt folgt dann das sogenannte Bieterverfahren, zu dem die beiden bestplatzierten Büros eingeladen werden. In diesem Verfahren müssen die Planer sich vorstellen und dabei nachweisen, dass sie in der Lage sind, ein solches Bauprojekt vorzubereiten und zu realisieren. Erst dann kann der Stadtrat den Planungsauftrag vergeben und die Verträge geschlossen werden. Dabei kann es immer noch passieren, dass der Sieger „durchfällt“ und das zweitplatzierte Büro zum Zuge kommt. Wenn alle diese Schritte vollzogen sind, beginnt die eigentliche Projektarbeit, denn dann müssen die Gestaltungsideen aus dem Wettbewerb zu einer konkreten Bauplanung entwickelt, viele Details und Aspekte zu einem Gesamtbild zusammengefügt werden.
Im Rahmen der Stadtsanierung stand die Neugestaltung der Bahnhofstraße von Anfang an auf der Agenda. Die Maßnahme wird durch das Bund-Länder-Programm „Aktive Stadtzentren“ zu rund 70% gefördert und muss deshalb bis Ende 2023 fertiggestellt sein.
(Quelle: Pressemitteilung, VG Montabaur)