WW/Montabaur. Auch im Westerwald boomt der Arbeitsmarkt wie seit Jahrzehnten nicht mehr, suchen Firmen händeringend Arbeitskräfte. Aber auch in unserer Region gibt es einen verfestigten Kern von Arbeitslosen, die nahezu chancenlos auf dem normalen Arbeitsmarkt sind und die deshalb eine geförderte Beschäftigung brauchen. Das Forum Soziale Gerechtigkeit hatte fast zwei Dutzend Experten, Bildungsträger, Betroffene und Politiker zu einem Fachgespräch eingeladen, bei dem dieser Personenkreis im Mittelpunkt stand.
Anlass war das Inkrafttreten des bundesweit geltenden neuen „Teilhabechancengesetztes“. In den Räumen der „Gesellschaft zur Förderung der beruflichen Integration“ (GFBI) im Kino in Montabaur begrüßte deren Geschäftsführer Stephan Reckmann die fachkundigen Gäste: „Das neue Gesetz zielt auf die Abgehängten in unserer Gesellschaft“. Die GFBI sei deshalb gerne für eine Expertenrunde Gastgeber, deren Ziel die Förderung eines sozialen Arbeitsmarktes in der Region sei.
Für das Forum Soziale Gerechtigkeit begrüßte dann dessen Sprecher Uli Schmidt (Horbach) die Runde und führte in das Thema ein. Die Gesellschaft dürfe die arbeitsmarktfernen Menschen mit oft mehreren Vermittlungshemmnissen nicht im Stich lassen und da ziele das neuen Teilhabechancengesetz in die richtige Richtung. „Wenn Menschen zu lange arbeitslos sind, stumpfen sie ab, wissen nicht mehr weshalb sie morgens aufstehen sollen, vereinsamen, werden oft psychisch krank und finden dann erst recht keine Arbeit mehr“, so Schmidt.
Als Geschäftsführer des Jobcenters Westerwald stellte Theo Krayer die beiden neuen Instrumente vor, die Langzeitarbeitslose mit einem Lohnkostenzuschuss von bis zu 100 % für geeignete Tätigkeiten bei Unternehmen, Kommunen oder bei sozialen Trägern fördern. „Anders als bei früheren Programmen müssen die Jobs nicht im öffentlichen Interesse und auch nicht zusätzlich sein und werden durch Weiterbildungsangebote und ein verpflichtendes Coaching zusätzliche aufgewertet“, so Krayer. Es seien derzeit 50 Förderfälle für den Westerwaldkreis eingeplant, die bei einem erfolgreichen Passiv-Aktiv-Transfer noch erhöhte werden könnten. Seine Kollegin Susanne Gehrke stellte einige bereits umgesetzte erfolgreiche Beispiele vor: „Eine motivierte Alleinerziehende mit 4 Kindern hat ihre Chance ebenso genutzt wie ein chronisch kranker Arbeitsloser, der selbst den passenden Arbeitgeber gesucht und gefunden hat“, so die Betriebsakquisiteurin. Krayer und Gehrke stellten erfreut fest, dass viele Firmen im Westerwald auf die neuen Möglichkeiten des Teilhabechancengesetzes sehr positiv reagieren.
Einige von Langzeitarbeitslosigkeit Betroffene und deren Angehörige nutzten dann die Gelegenheit, ihre Sicht der Dinge darzustellen. “Für heimische Arbeitgeber mit einem Arbeitskräftebedarf ist das eine gute Gelegenheit, jemand über 2 Jahre zu testen, ohne irgendeine Verpflichtung für danach einzugehen“, so der Kursteilnehmer eines Arbeitslosenprojektes. Ein anderer, sogar mit abgeschlossenem Studium, ist dabei sich einen potentiellen Teilhabechancen-Arbeitgeber zu angeln. Auch die Mutter einer psychisch kranken arbeitssuchenden Tochter blickte hoffnungsvoll auf die Teilhabechancen des neuen Gesetzes. Wir wollen es nicht zulassen, dass unsere Tochter mit Fachabitur in eine WfbM abgeschoben wird“, so die besorgte Mutter.
Danach kamen Vertreterinnen und Vertreter von heimischen Bildungsträgern zu Wort, die sich um den zur Diskussion stehenden Personenkreis kümmern. „Einfach kann jeder, wir fördern aber diejenigen mit wirklichen Problemen“, so Peter Bill, Pädagogischer Mitarbeiter beim Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft (BWHW) am Standort Montabaur. Stefan Wolfram, Geschäftsführer von Paul e.V. in Höhr-Grenzhausen meinte: „Wir bereiten unsere Leute gezielt darauf vor, dass sie die sich bietenden Chancen auch nutzen können“. Die vielfältigen Angebote des Berufsförderungswerkes (BFW) Koblenz in Vallendar stellte dessen Geschäftsführer Heinz Werner Meurer vor und stellte lobend fest: „Im Westerwald lassen sich viele Unternehmen auf eine Kooperation mit uns ein, da sie geeignete Arbeitskräfte suchen und bei uns oft auch finden“. Winfried Weber stellte Inklusionsfirmen als geeignete Möglichkeit zur beruflichen Teilhabe für Menschen mit einem Handicap in den Mittelpunkt. Der Vorsitzende des Vereins für Behindertenarbeit meinte mit Blick auf die eigene Inklusionswäscherei „Delphin“ in Hachenburg: „Die beste Therapie für unsere oft psychisch erkrankten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ist die Teilhabe am Arbeitsleben!“ Neue Chancen für die insgesamt 37 Maßnahmeteilnehmer im Sozialkaufhaus in Montabaur sah auch dessen Leiterin Andrea Leineweber.
Die heimische Landtagsabgeordnete Dr. Tanja Machalet äußerte sich nach der abschließenden Diskussion positiv über die zuvor erlebte Gesprächsrunde: „Es war eindrucksvoll zu erleben, wie hier viele unterschiedliche Leute an einem Tisch sitzen und gemeinsam nur ein Ziel verfolgen: wir dürfen bei uns im Westerwald niemand bei der Suche nach gesellschaftlicher Teilhabe und einer geeigneten Arbeit zurücklassen!“ Uli Schmidt dankte abschließend allen Mitwirkenden für ihr Eingemengt und sagte zu, die Umsetzung des Teilhabechancengesetzes im Westerwaldkreis weiter kritisch zu verfolgen. Er bat alle daran interessierten Unternehmen um Kontaktaufnahme mit dem Jobcenter oder einem der beteiligten Bildungsträger.
(Quelle: Pressemitteilung, Forum Soziale Gerechtigkeit)