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Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat knapp sieben Wochen nach der verheerenden Flutkatastrophe im Landtag in ihrer Regierungserklärung den aktuellen Sachstand dargelegt und ausgeführt, wie die Landesregierung gemeinsam mit den Menschen vor Ort und den Kommunen die nächsten Schritte des Wieder- und Neuaufbaus angehen werden. „Ich weiß mich mit Ihnen einig, wir alle wollen den Menschen in den Katastrophengebieten eine gute Zukunft ermöglichen“, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer den Abgeordneten. Sie dankte dem Bund und der Ländergemeinschaft für die große Solidarität; der Aufbaufonfonds von 30 Milliarden Euro sei eine wichtige Voraussetzung für den Wiederaufbau. Die Ministerpräsidentin zeichnete ein eindrückliches Bild vom Einsatz und der Koordinierung der vielen Tausend Einsatzkräfte, Helfern und Helferinnen, den vielen Privatpersonen, die angepackt haben und auch den Lohnunternehmern und Landwirten.

Eine Hochwasser-Katastrophe solchen Ausmaßes habe Deutschland bisher noch nicht erlebt. Das Leid derer, die einen geliebten Menschen verloren haben oder denen die Flut alles genommen hat, was sie sich mühsam aufgebaut haben, könnten Worte nicht ermessen, so Ministerpräsidentin Malu Dreyer. „Wir alle trauern mit den Hinterbliebenen. Wir wünschen den Verletzten gute Besserung. Und wir stehen tatkräftig denen zur Seite, die ihre Existenz verloren und tiefe Wunden an ihrer Seele erlitten haben. Sie sollen wissen, sie sind in ihrem Leid nicht allein“, betonte die Ministerpräsidentin. Sie sicherte den Betroffenen zu, dass die Landesregierung die Menschen aus dem Ahrtal unterstütze, einen Ort der Erinnerung und des Gedenkens zu schaffen, wenn sie dies wünschten.

Aufbauorganisation der Landesregierung

Die Landesregierung hat für den Aufbau eine tragfähige Struktur geschaffen. Unter der Leitung des Chefs der Staatskanzlei arbeite ein Staatssekretärs-Lenkungsausschuss. Im Innenministerium ist eine neue Wiederaufbauorganisation geschaffen worden mit einschlägigen Fachleuten, unter anderem aus der Landes- und Stadtplanung, der Dorferneuerung und Wasserwirtschaft, den Bereichen Finanzen sowie Wirtschaft und Umwelt. Die Beauftragte für den Wiederaufbau ist Innenstaatssekretärin Nicole Steingaß. Entscheidend sei die schnelle und unbürokratische Kommunikation zwischen den kommunal Verantwortlichen und der Abteilung Wiederaufbau. Deshalb gibt es einen Ansprechpartner der Landesregierung vor Ort. Zum Leiter des „Verbindungsbüros kommunaler Wiederaufbau" wurde der ehemalige Landrat und Innen-Staatssekretär a.D. Günter Kern berufen. Er und sein Team seien unermüdlich vor Ort unterwegs, immer ansprechbar und ein Scharnier zwischen den Menschen vor Ort und der Landesebene. Alle stünden im engen Austausch mit allen Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern im Ahrtal, durch viele Termine vor Ort und regelmäßige Telefonschaltkonferenzen.

Soforthilfen des Landes

„Die Landesregierung hat umgehend nach der Flutkatastrophe unbürokratische Soforthilfen gemeinsam mit dem Bund in dreistelliger Millionenhöhe an Privathaushalte, Betriebe und die Kommunen auf den Weg gebracht. Die Menschen standen vor dem Nichts, es ging darum, schnelle Hilfe zu gewährleisten. Für private Haushalte wurden Gelder in Höhe von insgesamt 44 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Auch für die Kommunen war das eine riesige Herausforderung. Für die Landkreise Ahrweiler, Mayen-Koblenz, Bernkastel-Wittlich, Bitburg-Prüm, Vulkaneifel, Trier-Saarburg und die Stadt Trier wurden Soforthilfen in Höhe von zunächst insgesamt 60 Millionen Euro bereitgestellt. Der Ministerrat hat am 13. August 2021 eine Erhöhung der Mittel für die Soforthilfen für die Gemeinden und Gemeindeverbände um weitere 40 Millionen Euro beschlossen. Neben Privathaushalten und Kommunen haben wir auch die ansässigen Betriebe unterstützt. 2.353 Unternehmen haben Stand 27. August rund 11,765 Millionen Euro erhalten“, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer.

Krisenbewältigung in der Katastrophe nationalen Ausmaßes

„Um Ihnen ein Bild der ersten Tage zu geben: Täglich wurden mehr als 5.000 Einsatzkräfte koordiniert. Bis zu 30 Hubschrauber waren zeitgleich im Einsatz. Damit wurden über 300 Menschen von Gebäuden gerettet. Zu Spitzenzeiten wurden an 30 Verpflegungspunkten 20.000 Mahlzeiten täglich ausgegeben. Dieselkraftstoff wurden an die betroffene Bevölkerung, Baufirmen und Landwirte, Helferinnen und Helfer sowie Einsatzkräfte kostenlos abgegeben. Bisher sind es rund vier Millionen Liter. Es musste für den Gesundheits- und Hygieneschutz gesorgt werden, die Wiederherstellung der Kommunikationsinfrastruktur für die eingesetzten Kräfte musste gelingen. Die Betroffenen und die Einsatzkräfte brauchten psychosoziale Betreuung. Zudem mussten sehr schnell Notunterkünfte bereitgestellt werden. Dazu kamen viele Helfer und Helferinnen in das Katastrophengebiet, zum Teil mit schwerem Gerät. Sie mussten oftmals warten, um die Rettung Verletzter und die Bergung der Toten nicht zu gefährden“, so Ministerpräsidentin Malu Dreyer.

Man müsse sich vergegenwärtigen: Ganze Gemeinden waren von der Außenwelt abgeschnitten, Mobilfunkmasten waren zerstört, Kommunikation kaum möglich. In dieser unübersichtlichen Lage sei das erste Ziel gewesen, Menschen zu retten und weitere Gefahren abzuwenden. Dies alles zu koordinieren, sei eine unfassbar schwierige Aufgabe gewesen, die von den jeweiligen Einsatzleitungen bewältigt wurde – im Landkreis Ahrweiler, aber auch in den anderen betroffenen Landkreisen und der Stadt Trier. „Mein Dank richtet sich ausdrücklich auch an die technischen Einsatzleitungen im Eifelkreis Bitburg-Prüm, im Vulkaneifelkreis, im Kreis Trier-Saarburg, im Landkreis Bernkastel-Wittlich sowie an die Stadt Trier mit ihrer Berufsfeuerwehr“, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer.

Aufbauhilfen

Die Flutkatastrophe vom 14. auf den 15. Juli ist eine Katastrophe nationalen Ausmaßes. Die „Aufbauhilfe 2021“ mit 30 Milliarden Euro, die vom Bund und der Ländergemeinschaft finanziert wird, trägt dem Rechnung. Sie sei zudem das ganz deutliche Signal an die Betroffenen, dass sie langfristig unterstützt werden: „Diese Summe, ist ein beeindruckender Akt der Solidarität. Unmittelbar nach der Flut waren Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Olaf Scholz bei uns im Krisengebiet. Sie haben Hilfe zugesagt und diese sehr schnell eingelöst. Wie groß die Schäden in Rheinland-Pfalz sind, sieht man daran, dass auch im Vergleich mit den anderen betroffenen Ländern die weitaus größten Schäden bei uns entstanden sind: auf 18 Milliarden Euro sind sie beziffert. Ich danke dem Deutschen Bundestag und der Bundesregierung für ihre Unterstützung und die gute Zusammenarbeit in den letzten Wochen. Und ich danke meinen Ministerpräsidentenkollegen und meiner Ministerpräsidenten-Kollegin“, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Es sei berührend, wie tatkräftig die anderen Länder und der Bund Rheinland-Pfalz zur Seite stünden und Deutschland in dieser Situation zusammenhalte.

Viele Herausforderungen würden bereits angegangen, wie beispielsweise der anhaltende Wiederaufbau der Infrastruktur, Maßnahmen zur Ölschadensbekämpfung oder die Beräumung der Ahr. Ohne die vielen Helferinnen und Helfer von Feuerwehr, Hilfsorganisationen, Polizei und Bundeswehr seien diese Fortschritte nicht möglich gewesen. Auch Privatpersonen hätten einen unverzichtbaren Beitrag geleistet: „Handwerkerinnen und Handwerker, Landwirte, Lohnunternehmer haben ohne zu zögern in der größten Not geholfen. Sie haben ihre Fahrzeuge und Werkzeug eingesetzt. Das war ein großer Akt der Hilfsbereitschaft. Viele sind geblieben und natürlich muss dieser Einsatz dann auch entlohnt werden“, so Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Stand 26. August 2021 haben laut Kreisverwaltung Lohn- und Kleinunternehmer und Landwirte insgesamt 371 Rechnungen mit einem Gesamtvolumen von 6.704.880,49 Euro vorgelegt, die aktuell zu circa 80 Prozent bereits bezahlt seien.

Vorbereitung auf den Winter

Mit dem nahenden Herbst und dem Winter richte sich der Fokus nun ganz stark auf die bevorstehende Heizperiode in den von der Flut betroffenen Gebieten. Bürgermeister und Bürgermeisterinnen, die Verwaltungen und örtlichen Krisenstäben arbeiteten daran, eine temporäre und dauerhafte Wärmeversorgung zu organisieren. Sie seien dabei in enger Kooperation mit Schornsteinfegern, Verbraucherzentrale, Energieberatern, Landeshochschulen und den örtlichen Energieversorgern und werden unterstützt von der Landesenergieagentur. In der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler arbeiten die Gasversorger und die Stromversorger an einer Wiederherstellung weiter Teile des Gasnetzes beziehungsweise an Kompensationen durch die Stromversorgung. „Ziel der Kommunen und des Landes ist es, dass möglichst viele Menschen im Winter in ihren Häusern und Wohnungen bleiben können. Es wird dennoch nicht überall die zuvor vorhandene Wärmeversorgung wiederhergestellt werden können. Gemeinsam arbeiten wir mit Hochdruck daran, temporäre Unterbringungen in Miet- und Ferienwohnungen zu Verfügung zu stellen“, so die Ministerpräsidentin. Dabei werde das Land von der DEHOGA und anderen Akteuren in diesem Bereich unterstützt.

Fördermöglichkeiten und haushaltsrechtliche Voraussetzungen

Von den Aufbauhilfen profitierten Privathaushalte, Unternehmen und andere Einrichtungen wie Vereine, Stiftungen, anerkannte Religionsgemeinschaften sowie öffentliche Einrichtungen und Kommunen, erklärte Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Bei der Ermittlung des Schadens solle auf die Wiederherstellungskosten oder die Ersatzbeschaffung abgestellt werden. Selbstverständlich solle der Wiederaufbau nach den neuesten baulichen und technischen Standards gefördert werden. „Im Bereich der Privathaushalte geht es um Ausgaben zur Beseitigung von Schäden an Wohngebäuden und am Hausrat. Die Förderquote wird im Rahmen der Aufbauhilfeverordnung des Bundes festgelegt. Sie beträgt voraussichtlich 80 Prozent“, so Ministerpräsidentin Malu Dreyer weiter. Der Ministerrat wird am 14. September über ein Landesgesetz über die Errichtung eines Sondervermögens „Aufbauhilfefonds Rheinland-Pfalz 2021“ beraten. Für den 22. September ist beabsichtigt, das Gesetz in den Landtag einzubringen. Das ist die Grundlage für die weiteren Schritte zum Wiederaufbau hier im Land. Die Landesregierung und weitere Akteure bereiten alles dafür vor, dass ab Anfang Oktober das Antragsverfahren beginnen kann.


Übergang von der akuten Krisenbewältigung in langfristige Strukturen

Ministerpräsidentin Malu Dreyer erklärte, dass die akute Gefahrenlage nicht mehr bestehe. Jetzt gelte es, den Übergang zu langfristigen Strukturen der Schadensbeseitigung, Reparatur und des Aufbaus zu schaffen. „Wer in den ersten Tagen ins Ahrtal gekommen ist und die gewaltigen Zerstörungen gesehen hat, sieht, was seither geleistet wurde. Straßen wurden wieder passierbar gemacht, Brücken behelfsmäßig errichtet“, so Malu Dreyer weiter. Letzte Woche waren noch 1.382 Einsatzkräfte von Feuerwehr, Hilfsorganisationen, Technisches Hilfswerk, Polizei und Bundeswehr sowie Mitarbeiter von Landesforsten im Ahrtal im Einsatz. Nach und nach müssten jetzt die Hilfe der Blaulichtfamilie in dauerhafte Strukturen überführt werden. Die Bundeswehr werde morgen mit dem Abzug aus dem Gebiet beginnen, wobei sie natürlich dort, wo die Soldaten und Soldatinnen nach wie vor gebraucht werden, weiterhin im Einsatz bleibe. So werde zum Beispiel die Treibstoffversorgung, die die Bundeswehr über Wochen übernommen habe, jetzt von einem Privatunternehmen übernommen.

Hochwasser- und klimaangepasster Aufbau

„Wir befinden uns in einem Spannungsfeld zwischen dem Wunsch nach einem schnellen Wiederaufbau und dem Wunsch nach einem nachhaltigen Wiederaufbau. Niemand möchte sein Leben und sein Hab und Gut erneut in Gefahr bringen. Nach der Flutkatastrophe muss das bestehende Überschwemmungsgebiet neu festgelegt werden. Daran hängen sehr viele rechtliche Fragen. Der Schutz des Eigentums ist in Deutschland ein hohes Gut. In einer intensiven Kabinettsklausur haben wir ressortübergreifend beraten. Wir arbeiten sehr intensiv daran, die Einschätzungen der Hydrologen, der Raumplaner und der Juristen zusammenzubringen. Wir sind uns einig: Es wird keine Entscheidung ohne die Bürger und Bürgerinnen geben. Wir werden diesen Prozess ganz transparent mit den Kommunen, die das Baurecht haben und Baugebiete ausweisen, und den Menschen vor Ort besprechen“, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer.

„Die Landesregierung ist davon überzeugt, dass mit geeigneten Vorsorgemaßnahmen in baulicher Hinsicht – also wenn die Häuser hochwasserangepasst errichtet werden – die meisten Menschen ihre Häuser wieder an gleicher Stelle aufbauen können, sofern sie das möchten“, betonte die Ministerpräsidentin. Klar sei aber auch, dass es Gebiete gebe, wo die Gefahren so groß seien, dass auch in Zukunft kein Wiederaufbau an gleicher Stelle erfolgen sollte. Hier müssten sich Land und Kommunen gemeinsam auf die Suche nach Ersatzflächen machen. Den Kommunen komme dabei im Rahmen der Bauleitplanung die entscheidende Rolle zu. Das Land werde aber jede Unterstützung anbieten.

„Nach dieser Katastrophe ist auch klar: Wir müssen über eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden nachdenken. Die dagegen vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken müssen ausgeräumt werden. Denn Extremwetterlagen und Großschadensereignisse werden weiter zunehmen. Alle gemeinsam müssen diese Risiken schultern, damit sie bewältigt werden können“, betonte die Ministerpräsidentin. Rheinland-Pfalz werde den Hochwasser- und Katastrophenschutz weiterentwickeln und beim Klimaschutz nicht nachlassen. „Es ist unbestritten, dass der Klimawandel die Entstehung von Extremwetterereignissen begünstigt. Wir in Rheinland-Pfalz haben uns ehrgeizige Ziele hin zur Klimaneutralität des Landes gesetzt, die wir in dieser Legislaturperiode weiter vorantreiben“, sagte die Ministerpräsidentin in ihrer Regierungserklärung.

Hintergrund:

Die Flutkatastrophe hat Rheinland-Pfalz bis ins Mark getroffen. 134 Bürger und Bürgerinnen des Landes verloren durch die reißenden Wassermassen ihr Leben. 766 Menschen wurden verletzt, noch heute werden drei Personen vermisst. Insgesamt sind rund 65.000 Rheinland-Pfälzer und Rheinland-Pfälzerinnen von der Naturkatastrophe betroffen. In den Landkreisen Ahrweiler, Bernkastel-Wittlich, Bitburg-Prüm, Mayen-Koblenz, Trier-Saarburg und der Vulkaneifel sowie im Trierer Stadtteil Ehrang hat das Hochwasser eine tiefe Spur der Zerstörung hinterlassen. Von 75 Brücken sind alleine im Ahrtal 62 Brücken beschädigt oder zerstört worden. 40 Schulen, 55 Tageseinrichtungen für Kinder und fünf Krankenhäuser müssen wieder in Stand gesetzt werden, bis zu 3.000 Unternehmen sind von der Flutkatastrophe unmittelbar betroffen. Von 65 Weinbaubetrieben im Haupterwerb an der Ahr sind nur drei verschont geblieben, Rebflächen in einer Größenordnung von 32 Fußballfeldern sind völlig zerstört. Mehrere 100 Hektar Grünland und Ackerfläche sind für die diesjährige Ernte verloren. (Quelle Staatskanzlei Mainz)