Westerwaldkreis. Pfarrer Wolfgang Weik geht in den Ruhestand – 31 Jahre, nachdem er in Höhr-Grenzhausen in den Pfarrdienst eingeführt wurde. Bevor er sich am 29. Mai offiziell von seiner Kirchengemeinde Ransbach-Baumbach-Hilgert verabschiedet, blickt der Dekan des ehemaligen Dekanats Selters zurück. Es ist ein Blick über den Tellerrand. Diese Perspektive mag er. Denn ohne sie sähe die Evangelische Kirche im Westerwald heute wahrscheinlich anders aus.
Wolfgang Weiks erste längere Zeit als Gemeindepfarrer verbringt er in der Evangelischen Kirchengemeinde Wirges, die damals noch nicht Martin-Luther-Kirchengemeinde heißt. Diesen Namen bekommt sie erst unter ihm. In der Stadt leben damals wie heute viele Aussiedler. Eine buntes Schiff, das sich Gemeinde nennt, und Wolfgang Weik holt in den späten 1990er-Jahren viele mit ins Boot. Er initiiert das „Fremde zu Freunden“-Festival, ein Fest mit Aussiedlern, das während seiner Amtszeit mehrmals stattfindet, intensiviert den Kontakt zur katholischen und zur muslimischen Gemeinde, organisiert als Stellvertretender Dekan mehrere Dekanatskirchentage und begleitet die Partnerschaft zu Tansania.
Aber Weik zeigt auch klare Kante: Die Gemeinde protestiert gegen Scientology, die damals versuchen, in Wirges Fuß zu fassen. Außerdem demonstrieren er und andere Pfarrerinnen und Pfarrer für die Beibehaltung des Buß- und Bettags als arbeitsfreien Feiertag.
Ob er nun aneckt oder mitnimmt: Ihm ist wichtig, dass der Faden zum Gegenüber nicht abreißt. „Ich habe immer das Gespräch gesucht. Auch wenn es manchmal viel Gegenwind gab“, sagt er und erinnert sich an eine Episode aus seiner Zeit als Gemeindepfarrer in Höhr-Grenzhausen, seiner nächsten Station. „2004 war ich der erste Pfarrer im Dekanat, der ein gleichgeschlechtliches Paar gesegnet hat. Damit war nicht jeder einverstanden. Aber ich habe immer das getan, was mir mein Gewissen gesagt hat.“ Sein Gewissen lassen ihn auch gemeinsam mit den katholischen Geschwistern gegen den Zweiten Golfkrieg demonstrieren oder die Shoa-Gedenkfeiern in Höhr-Grenzhausen initiieren, die es bis heute gibt.
Als Stellvertretender Dekan und später als Dekan ebnet Weik mit anderen in den 2010er-Jahren den Weg zu einem neuen Kirchenkreis. Er gestaltet und begleitet die Veränderungsprozesse im alten Dekanat Selters und ist einer der Köpfe, die den Zusammenschluss der Dekanate Bad Marienberg und Selters zum heutigen Dekanat Westerwald voranbringen. Ein bedeutender Schritt für das evangelische Leben im Westerwald. Aber Weiks Herzenssache ist eine andere: „Mein größtes Anliegen als Dekan war, dass die Pfarrerinnen, Pfarrer und die Mitarbeiterschaft zu einem Team zusammenwachsen.“ Er führt regelmäßige Teamsitzungen ein, stärkt die Zusammenarbeit mit dem Diakonischen Werk – Dinge, die der Verwaltungseinheit „Dekanat“ nach und nach ein menschliches Gesicht geben.
Dass manche den Zusammenschluss des Dekanats und einiger Wäller Kirchengemeinden dennoch kritisch sehen, spürt Wolfgang Weik bei der Dekanewahl 2018, die er verliert. Seine Grundeinstellung bleibt trotzdem eine barmherzige und wohlwollende, sagt er: „Ich glaube, dass in jedem Menschen viele gute Dinge schlummern, auch wenn man sie nicht immer gleich sieht.“
Oft schlummern auch in Kirchengemeinden Schätze. Seine letzte Station führt ihn 2018 als Pfarrer in die Evangelische Kirchengemeinde Ransbach-Baumbach-Hilgert. Dort könnte er seinen Dienst entspannt ausklingen lassen. Stattdessen entsteht auch dort Neues: Das Ransbacher Gotteshaus wird „Musikkirche“ und mit vielen Konzerten und Kulturveranstaltungen ein Zentrum der Evangelischen Kirchenmusik im Süden des Dekanats. Darüber hinaus bringt die Gemeinde mit „RaBaHi Mini“ ein frisches, unterhaltsames Gemeindebriefformat heraus, entwickelt innovative Gottesdienstformen wie den Valentinstagsgottesdienst oder die Passionsabende und verfügt über ein engagiertes Jugendteam.
Seinem Nachfolger, Pfarrer Carsten Schmitt, überlässt Wolfgang Weik ab dem Sommer also ein gut bestelltes Feld. Er selbst blickt gelassen auf seine Dienstjahre zurück und zuversichtlich nach vorne. Denn die Kirche wird kleiner, aber sie wird immer gebraucht, glaubt er: „Sie verändert sich und muss dabei glaubwürdig bleiben. Bei allen Chancen durch neue Formen und neue Medien und bei allen Blicken über den Tellerrand dürfen wir die ,Alten‘ nicht aus den Augen verlieren. Das Wichtigste ist, dass wir als Kirche Gottes Liebe weitergeben und immer wieder Formen der Verkündigung finden, die den Menschen Kraft geben. Darauf hoffe ich.“ Und er hofft auf neue Freiräume, die sich im Ruhestand öffnen. „Ich freue mich auf die Zeit mit meinen Enkeln, meiner Frau Claudia und der großen Familie, auf Reisen im Wohnwagen und auf mehr Zeit fürs geistliche Leben, das manchmal leider zu kurz kam.“ (bon)
Der Abschiedsgottesdienst für Pfarrer Wolfgang Weik findet am Sonntag, 29. Mai, um 14.30 Uhr in der Evangelischen Kirche Ransbach-Baumbach statt. (Quelle Evangelisches Dekanat WW)