MONTABAUR. Nasskalt war es im Schatten der Alarmstange auf dem Köppel. Der
morgendliche Nieselregen hatte sich aber verzogen, als Pastoralreferent Markus
Neust den Limburger Bischof Georg Bätzing als Ehrengast zur feierlichen Segnung
des neuen Andachtsortes begrüßte. Die bunt zusammengesetzte Teilnehmerschar
war teilweise zu Fuß, per Rad oder Pedelec oder auch mit dem Auto auf den
höchsten Punkt des Westerwaldkreises gekommen. Das Trompetensolo von Oliver
Krämer eröffnete die Schöpfungsandacht, die durch das Klopfen eines Spechts
akustisch untermalt wurde.
Die Idee für diesen neuen Andachtsort unter freiem Himmel ist in Folge der
gemeinsamen Baumpflanz-Aktion des Netzwerks „WERT.VOLL.LEBEN“ entstanden.
Träger dieses ökumenischen und überkonfessionellen Netzwerks sind die
katholische Pfarrei St. Peter Montabaur und Stelzenbachgemeinden, die
evangelische Kirchengemeinde Montabaur, der Naturschutzbund Montabaur und
Umgebung, das Forstamt Neuhäusel und die Stadt und Verbandsgemeinde
Montabaur. Forstamtsleiter Friedbert Ritter erläuterte zunächst aus forstwissenschaftlicher Sicht die Gründe für die an diesem Ort plastisch sehr sichtbaren Klimaschädigungen.
Bischof Georg Bätzing lobte in seiner Ansprache das vielfältig zusammengesetzte
Netzwerk, das die Intention der Papst-Enzyklika „Laudato si“ erfülle. „Wir haben nur
dieses eine gemeinsame Haus, egal, was wir glauben, egal, wo wir leben, egal,
wovon wir überzeugt sind. Aber diese Grundlage haben wir alle gemeinsam. Wir
haben sie, wir bewahren sie, oder wir verlieren sie, und damit den Lebensraum für
uns, unsere Kinder und Enkelkinder, die Zukunft.“
Ob es gelinge, den bevorstehenden Kipppunkt der Klimakatastrophe durch menschliche Anstrengung noch zu verhindern, das ist für den
Limburger Oberhirten unklar. „So ganz entschieden ist das nicht.“ Dazu brauche es
erhebliche Anstrengungen. „Und es wird dazu führen, dass wir uns in unseren
Lebensverhältnissen und auch im Wohlstand einschränken müssen, wenn es dazu
kommen soll, dass der Kipppunkt noch einmal in die richtige Richtung zeigt und wir
retten, was unsere Zukunft und unser Lebensraum ist.“
Bischof Bätzing dankte allen, die an der Entstehung des neuen Gebetsorts durch ihr Engagement mit gewirkt haben: „Sie tragen etwas dazu bei, damit der Kipppunkt ein Wendepunkt zum Guten wird.“
Auch das dort errichtete Kreuz sei dort nicht zufällig aufgestellt worden. „Das passt in unsere Landschaft, das passt in unseren Kulturraum. Wie oft begegnen wir den Kreuzen irgendwo in der Natur?! Das Kreuz ist auch ein Wendepunkt. Es symbolisiert die Gewalt, den Hass, den Vernichtungswillen, es symbolisiert all das, was in Menschen auch lebt und ja offensichtlich nicht auszurotten ist. Es symbolisiert aber auch: es kann uns nichts genommen werden, was wir vorher schon gegeben haben. Das ist das, was Jesus uns vorgelebt hat.“
In diesem Sinne symbolisiere das Kreuz einen Wendepunkt: „von der Nacht zum
Tag, vom Dunkel ins Licht, vom Leben in den Tod, vom Tod ins Leben. Also ein
Wendepunkt, der sagt: die Richtung, die Gott für uns vorbereitet hat, ist klar. Das
geht in eine Richtung. Nämlich Richtung Leben, Zuversicht, Frieden, Gerechtigkeit,
Bewahrung dieser Einen Natur, Zukunft für alle Menschen.“
Am Nachmittag lud das Kindergottesdienst-Team rund um Pastoralreferentin Inge
Rocco zu einem Gottesdienst zum Thema „Talent“ ins Zirkuszelt ins
Familienferiendorf nach Hübingen ein. Sonja Thielecke präsentierte anhand des von
ihr in der Zirkusarena frei erzählten biblischen Gleichnisses von den Talenten das
erfolgreiche neue Konzept für die Erstkommunionvorbereitung.
„Wir brauchen jeden von euch, jede und jeder hat ein Talent“, ermutigte
Inge Rocco die kleinen und großen Teilnehmer im voll besetzten Zelt, die von Gott
geschenkten individuellen Begabungen zu entfalten. Passend zum Thema
antwortete Bätzing auf die Frage eines Kindes, was man als Bischof können müsse:
„Gar nicht viel. Man muss nur die Leute mit ihren Talenten etwas tun lassen.“
Apokalyptische Bilder – dieses Motiv vom Anfang des Tages lenkte die Gedanken
des Bischof auch während seiner Predigt im Rahmen des Pontifikalamts in der
Pfarrkirche St. Peter in Ketten. „Manchmal denke ich daran, wenn ich morgens die
Zeitung aufschlage oder jetzt die Nachrichten sehe, die Bilder, die uns aus der
Ukraine erreichen: das sind apokalyptische Bilder. Städte, die Trümmerwüsten sind.
Zu wissen, dass ich in dieser Werkstatt da in Mariupol neben den Soldaten Hunderte
von Menschen im Untergrund aufhalten jetzt schon wochenlang und nicht wissen, ob
sie weiterleben dürfen, weil sie umzingelt sind von der russischen Armee.“
Bätzing wünschte sich von den mitfeiernden Christinnen und Christen, dass sie den „Anker unserer Hoffnung“ weit genug auswerfen, „um dann eine Leine zu ziehen, die uns hält, auch in den Stürmen, in den Bedrängnissen unserer Zeit“. Dabei verschwieg er nicht die Krise der katholischen Kirche. „Es sind ja nicht nur die großen Herausforderungen der Zeit, in denen wir stehen, es sind doch auch die Irritationen, die Enttäuschungen, die Wut über Situationen in der Kirche, die uns verunsichern. Und die viele unter uns, unter Verwandten, Freunden, Kollegen, Kolleginnen, ja auch aus dem engsten Kreis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dazu bringen, sich von der Kirche zu lösen. Manchmal sogar, wie sie sagen: damit ich meinen Glauben retten kann.“
Kirche sei aber keine Wohlfühlgemeinschaft. „Es geht nicht nur darum,
dass wir uns untereinander gut verstehen, dass es uns gut geht, dass wir etwas
aufbauen, worüber wir zufrieden sind, dass wir Gottesdienste feiern, die schön sind
und unseren Glauben bewegen.“ Angesichts der riesigen gesellschaftlichen
Herausforderungen müssten Christinnen und Christen auch manchmal unbequem
sein, wenn es um die Fragen des Lebensschutzes am Anfang und am Ende des
Lebens gehe. „Abtreibung ist Unrecht. Suizid wollen wir nicht. Wir wollen nicht, dass
Menschen sich das Leben nehmen müssen, sondern wollen sie begleiten bis zum
letzten Atemzug, dass sie leben können.“
Auch bei den Themen Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit sollten Christinnen und
Christen unbequem sein: „damit Menschen zu ihrem Recht kommen in dieser Welt.
Menschen, die keine Stimme haben, die sich nicht trauen, Menschen, auf die man
nicht hört. Auch das ist Nachfolge des Auferstandenen.“
Angesichts der in machen Gesprächen festgestellten Frustration über das, was nicht
mehr gelingt, Enttäuschung, wünscht sich Bätzing, dass jeder und jede persönlich
eine lebendige Beziehung zu einem Jesus nicht aus den Geschichtsbüchern,
sondern der das persönliche Leben mitgehe: „So wie man mit Freunden und dem
Partner unterwegs ist. Täglich, gewohnt, in Übungen der Kommunikation und des
Vertrauens, in Gemeinschaft, in die er uns führt.“
Abschließend forderte Bätzing die Gläubigen auf, die unruhige Suche nach einer
besseren Welt, nach einer neuen Welt, die Jesus versprochen habe, nicht
aufzugeben. (Quelle St. Peter Montabaur)