Kreis Altenkirchen. Was haben saure Zitronen mit süßen Kindern gemeinsam? Nicht viel bis gar nichts – sollte man meinen. Und doch: Jede vermeintliche uniforme Zitrone ist genauso individuell wie ein Kind. Andere Form, andere Schale, ja selbst ein anderer Geruch. Diese Erfahrung machte kürzlich auch das Team der Kita St. Anna in Friesenhagen. Und das nicht, weil Leiterin Rita Leidig einen besonderen Obst-Tag ausgerufen hatte, vielmehr ist die Einrichtung Bestandteil der „Aktiven Inklusionsoffensive im Landkreis Altenkirchen“ (AIKA), initiiert vom Jugendamt der Kreisverwaltung. Dabei werden dann auch Impulse abseits der üblichen Schemata gesetzt. Über allem steht ein Ziel bzw. Leitgedanke: Der Begriff „Inklusion“ soll nicht mehr mit Einschränkung oder gar Behinderung in Verbindung gebracht werden, sondern mit Vielfalt und Akzeptanz.
In den Kindertagesstätten ist Inklusion schon seit vielen, vielen Jahren Alltagsgeschäft. Doch auch wenn überall die Bereitschaft und der gute Willen vorhanden sind, fühlen sich viele Kitas bei der Umsetzung alleingelassen. „AIKA“ soll diesem Empfinden etwas entgegensetzen. So werden seitens des Jugendamts eine kreisweite Vernetzung initiiert oder gemeinsame Fort- und Weiterbildungsangebote für alle 81 Kindertagesstätten im Kreis geschaffen. Außerdem soll bis Ende 2025 ein grundlegendes Konzept zur Reflexion, Schwerpunktsetzung und Weiterentwicklung der eigenen pädagogischen Praxis vor Ort entstehen.
Seit geraumer Zeit trifft sich regelmäßig eine Projektentwicklungsgruppe mit Leitungen aus verschiedenen Kitas. „Die Beteiligung der Praxis ist uns ein wichtiges Anliegen. Nur gemeinsam können wir einen Rahmen schaffen, mit dem die Kitas gut arbeiten können“, erklärt Fachberater Simon Patt. Die Ideen, die in Altenkirchen am Schreibtisch entstehen, werden in den Kitas vor Ort auf ihre Praxistauglichkeit hin überprüft. Was keine leichte Aufgabe darstellt, ist Inklusion doch ein dynamischer Prozess, der stets an jede (gesellschaftliche) Veränderung angepasst werden muss. Mit „AIKA“ sollen die schon jetzt vorhandenen Kompetenzen in den Kitas gestärkt und verbessert werden. Das Team des Jugendamts tritt dabei nicht als „Schulmeister“ auf, sondern als Partner und Prozessbegleitung.
In den Kitas der Projektgruppe sind die ersten Erfahrungen jedenfalls sehr positiv: „Wir bekommen so eine neue Sichtweise auf das Thema Inklusion, nehmen unsere eigene Haltung bewusster wahr und erhalten Antworten auf die Frage, wie jedes Kind in seiner Einzigartigkeit gefördert werden kann. Für uns als Team ist das sehr gewinnbringend“, sagt Rita Leidig.
Dabei möchten die pädagogischen Fachkräfte auch mit den bekannten Klischees rund um die Inklusion aufräumen. „Was ist denn überhaupt normal?“ würde zum Beispiel Katja Orfgen von der Kita „Rappelkiste“ gerne von der Allgemeinheit wissen. Für sie ist es (auch) die Inklusion. „Es geht hier ja längst nicht mehr um eine Behinderung, es geht um Armutsmerkmale, den Familienstand, die Hautfarbe oder die Religion. Letztlich spiegelt Inklusion das gesamte Leben wider, eine enorm bunte Vielfalt. Eben Normalität.“
„AIKA“ soll dabei helfen, dass in dieser Vielfalt jedes Kind bestmöglich abgeholt werden kann. „Von inklusiver Pädagogik profitieren alle Kinder, weil ihre unterschiedlichen Lebens- und Familiengeschichten wahrgenommen und wertgeschätzt werden“, betont Simon Patt. Und wer weiß: Vielleicht gelingt es mit dieser Offensive sogar, die Inklusion außerhalb von Gruppenräumen von ihrem überholten Image zu befreien. Einige Zitronen können dabei durchaus hilfreich sein. (Quelle Kreis Altenkirchen)