Seit Mittwoch den 24. November gelten deutschlandweite neue Corona-Regeln. Schon im Vorfeld waren einige Bundesländer mit Verschärfungen vorausgeprescht. So unter anderem Bayern und Sachsen. Andere Bundesländer und Rheinland-Pfalz haben zwischenzeitlich auch nachgezogen. Der Sinn und die Wirksamkeit der neuen Regelungen bleiben dabei weiterhin umstritten. Auch unter Medizinern, dem Handelsverband oder den Verkehrsunternehmen.
• Ungeimpfte sind Schuld
Ungeimpfte sind nun weitgehend vom öffentlichen Leben ausgegrenzt und werden hauptsächlich für steigende Inzidenzen oder die Absage von Veranstaltungen verantwortlich gemacht. Wie etwa von Uli Schmidt, der per Pressemitteilung eine Veranstaltung des SPD Ortsvereins Stelzenbach abgesagt hatte und sich dafür bei allen Ungeimpften deutlich „bedankt“ hatte. Ein Hinweis auf eine erachtete unangemessene Art der banalen Schuldzuweisung wurde mit einem ebenso deutlichen „…das sehe ich vollkommen anders!“ kommentiert. Die Bitte um eine Stellungnahme zu diesen beiden Aussagen blieb durch Uli Schmidt im Weiteren unbeantwortet.
Vielfach wird kritisiert, dass die Politik auch in fast zwei Jahren Corona kaum etwas dazugelernt hat und neben altenbekannten auch immer wieder neue Fehler macht, die der tatsächlichen Bekämpfung der Pandemie und einer Rückkehr zur Normalität nicht dienlich sind.
Bei der Impf- und Boosterkampagne läuft es auch weiterhin nicht rund. Weder auf Bundes-, Landes-, noch auf Kreisebene. Obwohl nachfolgende Corona-Wellen und eine möglicherweise deutliche Verschlechterung der Lage absehbar waren und auch von Fachleuten davor gewarnt wurde, schlossen die Impfzentren in Deutschland im Spätsommer ihre Türen und wurden zurückgebaut. Von der Kreisverwaltung in Montabaur wurde im Anschluss immerhin eine eigene Impfstelle eingerichtet. Impfbusse wurden eingeführt. Zudem werden jetzt Impfungen in regelmäßigen Abständen in den Verbandsgemeinden angeboten.
• Kontaktnachverfolgung nicht mehr möglich
Seit dem 17. November ist das Gesundheitsamt Montabaur eigenen Angaben zufolge nicht mehr in der Lage, die infizierten Personen in der bisherigen Schnelligkeit zu kontaktieren sowie die daran anknüpfende Cluster-Kontaktnachverfolgung durchzuführen. In einem SWR-Interview, dass zwei Tage später veröffentlicht wurde, widersprach die Leiterin des Gesundheitsamtes Sarah Omar: „ Nein, das stimmt so nicht. Wir können die durchaus nachverfolgen. Wir sehen halt nur, dass alle sich anstecken“. Auch zum diesjährigen Höhepunkt der Corona-Welle steht Montabaur erneut vor großen Herausforderungen bei der Krisenbewältigung, jedoch offensichtlich ohne nennenswerte Verbesserung gegenüber dem Vorjahr. Auch in diesem Jahr fehlt Personal, so Omar weiter.
(Foto Symbolbild, Kreisverwaltung WW)
• Keine Entscheidung bei Widersprüchen
In anderen Corona-Angelegenheiten zeigt sich die Kreisverwaltung in Montabaur geduldig. Ende Oktober 2020 wurde unter anderem auch ein Widerspruch gegen die damaligen ersten Ausgangsbeschränkungen im Westerwaldkreis eingelegt. Eine Antwort, dass der Widerspruch eingegangen sei und geprüft werde erfolgte schnell. Eine Entscheidung zur Sache jedoch nie. Kurz vor dem Inkrafttreten einer neuen Landesverordnung verwies Montabaur schriftlich darauf, dass der eigentliche Grund für den Widerspruch demnächst entfalle.
Schon im Oktober 2019 richteten Dutzende Mediziner in einem Stern-Bericht einen Appell an Politik und Wirtschaft: „Rettet die Medizin!“. Kritisiert wurden Fallpauschalen und die Durchökonomisierung, gesteuerte und gefährliche Übertherapien sowie die Unterversorgung von Patienten. Eine Umkehr hin zu einem stabileren und leistungsfähigeren Gesundheitssystem scheint dabei nicht erkennbar. Berlin stellt eine bessere Bezahlung und Boni für Pflegekräfte in Aussicht, der wohl dadurch erhoffte Run auf den Bereich lässt aber weiterhin auf sich warten.
• Kaum Medienberichte über die Grippe 2021
Trotz der bisherigen „epidemischen Notlage nationaler Tragweite“ hat es die Politik versäumt, dass Gesundheitssystem für den Kampf gegen Corona oder schlimmere Virusinfektionen zu stärken. Weiter werden Betten in den Kliniken abgebaut. Zuletzt 100 in Niedersachsen, weiter unter Verweis auf fehlendes Personal. Seit Beginn des Jahres schrumpfte die Zahl der Kapazitäten planmässig um rund 4000 Betten. Obwohl die Delta-Variante des Coronavirus als noch aggressiver eingestuft und die nächste Welle schon lange im voraus prophezeit wurde. „Die Pandemie der Ungeimpften“, die ganz ohne moralische Bedenken für den Corona-Herbst 2021 verantwortlich gemacht werden. Über die Grippe wird in dieser Saison übrigens noch weniger in den Medien berichtet, als im vergangenen Jahr oder den Vorjahren.
Quellen unter anderem:
Presseinformation der Kreisverwaltung Westerwald vom 17.11.2021
SWR-Interview vom 19.11.2021
https://www.swr.de/swraktuell/rheinland-pfalz/koblenz/interview-omar-gesundheitsamt-westerwald-100.html
Stern-Bericht vom 01.10.2019
https://www.stern.de/gesundheit/aerzte-appell-im-stern--rettet-die-medizin--8876008.html