Radverkehrskonzept für die Stadt, Bürgerbeteiligung wichtiger Baustein
Fahrradfahren in Limburg ist auf vielen Straßen kein Vergnügen, dort ist oft kein Platz für sie, an anderen Stellen sind die Bedingungen durch Schutzstreifen recht gut, aber dann endet plötzlich der Schutzstreifen. Es soll besser werden für den Radfahrenden Teil der Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer. Die Stadt hat deshalb ein Fachbüro damit beauftragt, ein Radverkehrskonzept für die gesamte Stadt zu erstellen. Das soll möglichst mit denen erarbeitet werden, die tägliche Radfahrerfahrungen auf den Limburger Straßen sammeln. Mit einem Workshop im Bürgerhaus in Eschhofen startete das Verfahren zur Bürgerbeteiligung.
„Das ist schon einmal ein guter Anfang, denn so voll war die Radabstellanlage am Bürgerhaus noch nie, und dann kommen auch noch viele Fahrräder hinzu, die dort keinen Platz mehr fanden“, zeigte sich der 1. Stadtrat Michael Stanke positiv überrascht von der überaus guten Resonanz auf die Einladung zum Workshop. Das Bürgerhaus, in dem die Stühle natürlich auf Abstand standen, war gut gefüllt. Den Anwesenden versprach Stanke, dass es die Stadt ernst meint mit dem Thema und ganz klar das Ziel verfolgt, den Anteil der Radfahrenden in der Stadt zu erhöhen.
Foto: Symbolbild
Den Auftrag zur Erstellung eines Radverkehrskonzepts erhielt das Büro IKS Mobilitätsplanung, das von Alexander Gardyan geleitet wird. Und er machte gleich schon einmal deutlich, wo mit ihm als Planer die Reise hingeht: Nur ein Angebot an sicheren Radwegen schafft die notwendigen Voraussetzungen, damit Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer auf das Rad umsteigen. Dabei seien grundsätzlich Kompromisse gefragt. Allerdings müsse auch allen klar sein, dass der Platz, der dafür benötigt wird, um die Bedingungen für Radfahrende zu verbessern, aus dem bereits vorhandenen Verkehrsraum entnommen werden muss. Das gehe dann auch zu Lasten von Fahrspuren, Parkplätzen und mehr.
„Wir müssen unterscheiden zwischen den Fahrradpendlern und den Radfahrenden, die aus touristischen Zwecken unterwegs sind“, machte Gardyan deutlich. Sein Fokus liegt dabei auf denen, die das Fahrrad als alltägliches Verkehrsmittel nutzen, also auf dem Weg zur Arbeit oder zur Schule, zum Einkaufen oder aber auch um Freizeitaktivitäten nachzukommen. Dabei hält er Mischverkehr zwischen Kraftfahrzeugen und Radlern bis zu einer zulässigen Geschwindigkeit jederzeit für möglich, wird es schneller, sind für ihn klare Trennungen notwendig. Getrennt werden sollten nach seiner Einschätzung aber auch Fuß- und Radverkehr.
Natürlich hat sich das Büro zunächst einmal die Ist- beziehungsweise die Bestandssituation in Limburg angeschaut. Nur sieben Prozent beträgt der Anteil am Verkehrsaufkommen in der Stadt, die vom ADFC vergebene Note von 4,2 im Fahrradklimatest biete viel Luft nach oben und grundsätzlich werde in Limburg zu viel Auto auf zu kurzen Wegen eingesetzt, selbst für Strecken von unter einem Kilometer werde das Auto genutzt. Das Rad sieht Gardyan als geeignetes Verkehrsmittel für Alltagsstrecken von zwei bis fünf Kilometer, mit E-Unterstützung sogar bis zu 20 Kilometer.
In der Bestandsanalyse ist das Büro auf zahlreiche Bereiche in Limburg gestoßen, die als problematisch einzustufen sind. Grundsätzlich mache Radfahren auf so stark befahrenen Straßen wie der Frankfurter Straße oder der Diezer Straße keinen Spaß. Aber auch dort, wo es Schutzstreifen gibt, werde es für Radelnde oft unangenehm, da Mindestbreiten nach heutigem Standard nicht eingehalten werden, geparkte Autos zum Ausweichen nötigen oder es oft Lücken in den Führungsformen gibt.
Einbahnstraßen, die zwar gegenläufig befahren werden dürfen, aber zu wenig Platz bieten, „Autosperren“ auf Wirtschaftswegen, Unterführungen und Brücken, die schlecht oder schwierig zu passieren sind, fehlende Abstellanlagen oder auch nicht vorhandene Einfärbungen der Wege für Radfahrende in Einmündungsbereichen von Straßen, all das ist von dem Büro aufgenommen worden. Gardyan ließ auch keinen Zweifel daran, dass er die grundsätzliche Öffnung der Fußgängerzone für Radfahrende als sehr kritisch sieht.
Der Auftakt des Beteiligungsverfahrens diente dazu, Grundlagen zu vermitteln. Dazu gehören auch erste Überlegungen, um die Radverbindung zwischen Diez und Limburg zu verbessern. Der Verkehrsexperte schlägt dazu zwei Varianten vor: Seine Vorzugsvariante führt durch das Wohngebiet mit Unterheide, Rheinstraße, Annastraße und Parkstraße, wobei dort dann auch Fahrradstraßen ausgewiesen werden müssten. Gleichzeitig sollten Verbesserungen entlang der Diezer Straße angegangen werden, allerdings reicht die Straßenbreite an einigen Stellen nicht aus, um die Mindestbreiten für Kraftfahrzeug-, Radverkehr und Fußgänger zu berücksichtigen. Zudem würden fast alle Parkplätze am Straßenrand entfallen.
Von den Anwesenden gab es die Aufforderung, auch den Weg über die Schaumburger Straße weiter mit einzubeziehen oder auch als Radwegeverbindung stärker auf die Industriestraße zu setzen. Der Weg durch das Wohngebiet parallel zur Diezer Straße scheidet für viele in Fahrtrichtung Diez aus, da die Streckenführung doch mit erheblichen Steigungen verbunden sei. In der Diskussion wurde deutlich, dass auch Radfahrende unterschiedliche Interessen haben.
„Es wird uns nicht gelingen, alle Zielkonflikte aufzulösen“, machte Gardyan deutlich, der für die Frankfurter Straße auch einen Verkehrsversuch ins Spiel brachte. Zwischen der Abfahrt zum Wohngebiet Meilenstein und dem Abzweig in die Eisenbahnstraße sollte mit einem sogenannten Pop-up-Radweg einmal versucht werden, ein Angebot für Radfahrende zu machen. Dazu müsste dem Kraftfahrzeugverkehr eine Spur genommen werden. Werde das Angebot nicht angenommen, könne der Pop-up-Radweg sofort wieder entfernt werden.
In der Diskussion gab es natürlich zahlreiche Anregungen, wie sich die Bedingungen für Radfahrende verbessern lassen. Allerdings gibt es bezüglich der zu verfolgenden Ziele auch eine große Übereinstimmung: Die Aufenthalts- und Lebensqualität sollen sich erhöhen, eine Steigerung des Radverkehrsanteils durch Verlagerung von Wegen mit Kraftfahrzeugen auf das Fahrrad ist ein wichtiges Ziel ebenso die Erhöhung des Komforts und der subjektiven und objektiven Sicherheit für alle Radfahrenden, dazu gehören kontinuierliche und attraktive Führungsformen und die Trennung des Radverkehrs vom Fußverkehr; attraktive Pendlerrouten sind zu entwickeln und eine Radkultur gilt es zu etablieren und auszubauen.
Im weiteren Prozess können die Teilnehmenden nun digital Anmerkungen zu den Bestandsanalysen und Trassenvorschlägen machen, weitere Schwachpunkte hinzufügen oder auch konkrete Verbesserungsvorschläge machen. Das wird gesammelt und vom beauftragten Büro bewertet und in die weitere Planung aufgenommen. In einem zweiten Workshop, der für Anfang Dezember geplant ist, soll es dann mit konkreten Vorhaben in die nächste Runde gehen. Am Ende wird das Büro in einem Konzept verschiedene Vorschläge zu Verbesserungen der Limburger Stadtpolitik vorschlagen.
Das Projekt wird durch Mittel der Richtlinie des Landes Hessen zur Förderung der Nahmobilität finanziell unterstützt. (Quelle Stadt Limburg)