So viele Leute sieht das Zentrum von Höhr-Grenzhausen an einem normalen Wochenende eher nicht. Am Samstag hatte einer „getrommelt“ und viele waren gefolgt. Doch kurz zurück im Verlauf. Obwohl die Kannenbäckerstadt Höhr-Grenzhausen über einen „Alexanderplatz“ verfügt - mit dem großen Bruder in Berlin gibt´s nur wenig Gemeinsamkeiten. Es gibt Freiflächen, Blumenkübel, einen Brunnen und Bänke, auf denen man sich niederlassen kann, um dem "bunten Treiben im Stadtkern" zuzuschauen - und jetzt eben eine Bank weniger.
Normalerweise finden sich nicht viele Bürger am „Alex“ ein, um in die zumeist leeren Schaufenster der leerstehenden Geschäfte zu schauen. Da sind die vorbeiziehenden Fußgänger und der „Durchgangsverkehr“ weitaus interessanter. Das dachte sich auch ein Jugendlicher, Mitte 20, der den „Alex“ für sich und zur Unterhaltung entdeckt hat. Dank der aufgestellten Sitzbänke, passenderweise vor einem gemütlichen Restaurant, platzbedingt behütet vor zu viel Regen oder zu praller Sonne, nutzt er seit einiger Zeit regelmäßig und ausgiebig den von der Stadt feilgebotenen Sitzplatz.
Nun ist Höhr-Grenzhausen mit rund 9000 Einwohnern recht überschaulich und man kennt sich. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich nicht nur viele - nicht - an einem sitzenden Menschen am „Alex“ stören, sondern es auch einige gibt, denen der „Besetzer“ ein Dorn im Auge war. Möglicherweise liegt es daran, dass es sich bei dem beschriebenen Jugendlichen um einen Obdachlosen handelt. Kurzerhand wurde das Ärgernis schriftlich niedergelegt und an das Rathaus mit Bitte um Abhilfe adressiert. Über Jahre hinweg bemüht man sich in Höhr-Grenzhausen um eine Belebung der Innenstadt. Viel Zeit verging, bis Umgehungsstraßen vom ersten Gedanken bis in die Tat umgesetzt wurden. Beim Verschwinden der Bank ging jedoch alles ganz schnell und quasi unbürokratisch zügig.
Die Bank wurde abmontiert und befindet sich nun ungenutzt auf dem Gelände des städtischen Bauhofs. Der „Stein“ des Anstoßes am Alexanderplatz hingegen macht auch weiter von seinem Recht gebrauch, sich im öffentlichen Raum aufhalten zu dürfen. Zur Geschichte des jungen Mannes sei bemerkt, dass sich private, sowie auch öffentliche Stellen bereits um ihn bemüht haben. Aus freien Stücken und von sich selber aus, will er keine Hilfe in Anspruch nehmen. Er wird seine Gründe dafür haben.
Der „Bankraub“ von Höhr-Grenzhausen hat für reichlich Wirbel gesorgt. TV, Zeitung und Radio Westerwald haben über den kuriosen Fall in der Kannenbäckerstadt berichtet. Im digitalen Zeitalter finden solche Fälle ganz allein und mit einem hohen Grad an Aufmerksamkeit den Weg in die Sozialen Netzwerke, so auch bei Facebook. Die Gruppe „Du kommst aus Höhr-Grenzhausen…“ verzeichnete in den vergangenen Tagen einen großen Mitgliederzuwachs. Dort kam es infolge des „Bankraubs“ auch zu einer regen Diskussion unter den Mitgliedern. Pro, Contra, konstruktive Äußerungen aber auch viel Blödsinn waren dort zum Thema und auch zu anderen „Stadtgesprächen“ zu lesen.
Der junge Obdachlose, dessen Sitzgelegenheit abgebaut wurde, machte es sich mit einem Campingstuhl an selber Stelle weiter gemütlich um dem Tagesgeschehen im Zentrum zu folgen.
Im Netz kam dadurch eine Solidaritätsaktion zustande. Dazu aufgerufen hatten die beiden Facebook-Nutzer Axel und Alex. Beide regten zum einen die Diskussion im Netz und den Austausch an, zum anderen riefen sie zum „Beisitzen“ auf. Dem Aufruf waren am Samstag zahlreiche junge bis ältere Menschen gefolgt. Sie hatten sich der Einladung der Initiatoren zum Frühstück und sitzen angeschlossen. Nach einigen Stunden löste sich die Gruppe wieder auf und zurück blieb: ein fast leerer Alexanderplatz. Aber eben nur ein fast leerer Alexanderplatz. Der junge Obdachlose, um den sich der ganze Wirbel drehte, kehrte zurück an seinen Stammplatz und kam ins Gespräch mit noch Anwesenden.
Der „Bankraub“ von Höhr-Grenzhausen geschah schnell und fast ohne Beweise. „Von den Tätern fehlt bis heute jede Spur, könnte es im Polizeibericht heißen“. Im Netz kursieren wohl die Schreiben, die an das Rathaus geschickt wurden. In den Medien meldeten sich der Verbandsgemeindebürgermeister sowie Bürger und Passanten zu Wort. Der junge Obdachlose hingegen sagte nichts. Der Trubel ist ihm zu groß. Er will einfach nur sitzen und schauen - dürfen!
Am Alexanderplatz zeigt sich die Teilung der Meinung quasi durch den Straßenverlauf. Im wahrsten Sinne des Wortes war die eine Seite permanent durch die Anwesenheit des „Bänkers“ gestört und sah ihre Kunden vergrault. Die andere Seite hingegen sah keine großen Probleme, wie man Radio Westerwald im vertraulichen Gespräch erklärte. Überwiegende Resonanz: Jeder so wie er will…
Eine Lösung für den „Bankraub“ ist bisweilen noch nicht in Sicht. Die Welt dreht sich weiter, die Schaufensterscheiben sind leer und der Verkehr rollt am Alex vorbei, aber Höhr-Grenzhausen hat nun eine Bank weniger. Hier geht´s zum Audiointerview: