Radio Westerwald : ON AIR >> Flashplayer in eigenem Fenster öffnen <<

 B Itunes B Mediaplayer B phonostar Logo radioDE

Bekanntlich beschäftigt der sogenannte Dieselskandal nicht nur die Autobauer und natürlich deren Kunden, sondern in erheblichem Umfang auch die Gerichte. Im Jahr 2018 sind bei dem Landgericht Koblenz 945 Verfahren neu eingegangen, die sich allein gegen einen großen Autohersteller richten. Bei einem Geschäftsanfall 2018 in Zivilsachen bei dem Landgericht Koblenz von insgesamt 4.505 Verfahren entfallen damit rund 21 % auf den sogenannten Dieselskandal. Zu prüfen ist dabei jeder Einzelfall gesondert mit erheblichem Personal- und Zeitaufwand.
Der Dieselskandal wird die Gerichte auch weiter beschäftigen. Allein in den ersten beiden Monaten des Jahres 2019 sind bei dem Landgericht Koblenz weitere 173 Verfahren gegen diesen Autohersteller neu eingegangen. Sollten die Eingänge in dieser Höhe weiter anhalten, bedeutete dies für 2019 wiederum mehr als 1.000 neue Verfahren. Zum Vergleich:
Nach der Personalbedarfsberechnung für die Justiz sind alleine für diese Verfahren knapp 6 Richter mit ihrer vollen Arbeitskraft erforderlich, das sind bei dem Landgericht Koblenz zwei Zivilkammern.

Entschieden hat vorliegend die 15. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz, die aufgrund einer Sonderzuständigkeit kraft Sachzusammenhangs für die neu eingegangenen Verfahren zuständig ist, in einem Fall, in dem der Käufer einen VW Tiguan 2,0 TDI der Schadstoffklasse Euro 5 erworben und mittels eines Darlehens finanziert hat.
Der Sachverhalt:
Der Kläger erwarb im November 2013 bei einem Autohaus einen VW Tiguan Sport & Style BM Tech. 2,0 l TDI für einen Kaufpreis von 32.027,30 €. Das Fahrzeug verfügt über einen Dieselmotor des Typs EA 189, der mit einer Software ausgestattet ist, die bei standardisierten Test- und Prüfungssituationen in einen sogenannten
Abgasrückführungsmodus 1 schaltet, wodurch es zu einem geringeren Emissionsausstoß kommt. Im normalen Straßenverkehr ist der Abgasrückführungsmodus 0 aktiv. Die gesetzlich vorgeschriebenen Emissionsgrenzwerte hält das Fahrzeug lediglich in Modus 1 ein.
Der Kläger begehrt Schadenersatz in Höhe des vollen Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeuges sowie Erstattung der Kosten, die er für die Finanzierung des Fahrzeuges aufgewandt hat. Des Weiteren verlangt der Kläger Ersatz der Kosten, die er für die vorgerichtliche Beauftragung eines Rechtsanwaltes zur Durchsetzung seiner Interessen aufgewandt hat.
Der Kläger beruft sich darauf, dass die Typengenehmigung basierend auf der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 für dieses Fahrzeug nicht hätte erteilt werden dürfen. Auch hätte er das Fahrzeug in Kenntnis der Sachlage nicht gekauft. Das Fahrzeug leide unter einem erheblichen Wertverlust. Zudem sei zu erwarten, dass es durch das Aufspielen des von der Beklagten angebotenen Software-Updates zu einem höheren Verbrauch und einem Leistungsverlust komme. Auch sei mit einer geringeren Lebensdauer des Rußpartikelfilters sowie des Motors selbst zu rechnen.
Die Beklagte wendet ein, die Typengenehmigung sei wirksam erteilt. Auch sei durch das Software-Update nicht mit negativen Auswirkungen auf den Verbrauch, die Leistung oder die Lebensdauer der einzelnen Bauteile zu rechnen. Schließlich seien die Gebrauchtwagenpreise ungeachtet der vorliegenden Dieseldebatte stabil geblieben, sodass auch keine Wertminderung vorliege.
Die Entscheidung:
Die 15. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz hat der Klage dem Grunde nach in vollem Umfang stattgegeben. Nach den Feststellungen des Gerichtes ist das Fahrzeug mit einer nach Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet. Bereits hierdurch sei der Kläger geschädigt, da der erworbene PKW von den Erwartungen des Klägers als Erwerber abweiche. Auch habe der Kläger nachvollziehbar dargelegt, dass er das Fahrzeug nicht gekauft hätte, wenn er von dieser Softwareprogrammierung des Motors Kenntnis gehabt hätte.
Hierfür haftet die VW-AG zur Überzeugung des Gerichtes nach § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung. Die Kammer hat ausgeführt: „Die im Rahmen des § 826 BGB geforderte besondere Verwerflichkeit des Verhaltens begründet sich aus dem Umstand, dass die Beklagte als größter Fahrzeughersteller und -Exporteur Deutschlands diese für potentielle Fahrzeugkäufer aufgrund der bezeichneten Erwägungen höchst relevanten rechtswidrigen Motormanipulationen in einer Vielzahl von Fällen vorgenommen und verschwiegen hat. Hierin zeigt sich ein übersteigertes Gewinnstreben um den Preis der bewussten Täuschung und Benachteiligung von Kunden. Denn Ziel der Manipulation kann es nur gewesen sein, Wettbewerbsvorteile in Gestalt weiterer Abschlüsse von Kaufverträgen zu generieren, welche bei Offenlegung der tatsächlichen Gegebenheiten nicht abgeschlossen worden wären.“
Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist darauf gerichtet, so gestellt zu werden, als hätte er das Fahrzeug nicht erworben. Danach hat die Beklagte gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges den gezahlten Kaufpreis zzgl. Zinsen zu erstatten. Hiervon in Abzug zu bringen ist aber ein Anspruch auf Nutzungsersatz. Die Höhe dieses Nutzungsersatzes ist nach § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung des Gerichts festzusetzen. Hier hat das Gericht einen Nutzungsersatz in Höhe von 12.084,54 € angerechnet bei einer erfolgten Laufleistung des Fahrzeuges von 94.330 km und einer geschätzten Gesamtlaufleistung von 250.000 km.
Ersatzfähig sind auch die angefallenen Kreditkosten in Höhe von 2.654,50 €. Diese stehen nach den Feststellungen des Gerichts in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Abschluss des Kaufvertrages. Nicht ersichtlich ist nach den weiteren Feststellungen des Gerichtes, dass der Kläger hierdurch einen anderweitigen finanziellen Vorteil erhalten habe, der anzurechnen wäre.
Erstattungsfähig als weiterer Teil des Schadensersatzes nach § 826 BGB sind schließlich auch die von dem Kläger aufgewandten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
Allerdings muss der Kläger nach § 92 ZPO einen Teil der Verfahrenskosten selbst tragen, da er mit seiner Klage eine vollständige Rückzahlung des ursprünglichen Kaufpreises begehrte, hiervon aber wie ausgeführt der Nutzungsersatz in Abzug zu bringen war. (Landgericht Koblenz)