Der Landkreis Limburg-Weilburg bietet ab sofort das Projekt „Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung mit der Möglichkeit einer gerichtsmedizinischen Spurensicherung“ an und folgt somit anderen Städten und Regionen in Hessen, die das vom „Frauennotruf Frankfurt“ erarbeitete Konzept übernehmen. Landrat Michael Köberle präsentierte das neue Angebot während einer Pressekonferenz im Frauenbüro der Kreisverwaltung Limburg-Weilburg.
„Hiermit starten wir eine Initiative, um die Erstversorgung von Gewaltopfern im Landkreis zu verbessern und richten eine klinikübergreifende Kooperation zur medizinischen Soforthilfe und Nachversorgung mit der Möglichkeit einer gerichtsmedizinischen Spurensicherung ein“, so Landrat Köberle. Auf Initiative der Kreisfrauenkommission und unter Federführung des kommunalen Frauenbüros mit Projektleiterin Ute Jungmann-Hauff wurde in Zusammenarbeit mit der Beratungsstelle „Gegen unseren Willen“ mit Barbara Koepper und der Beratungsstelle „pro familia“ mit Sandra Pappert-Rausch ein neues medizinisches Angebot ins Leben gerufen, das eine Lücke im System der Versorgung von Opfern von sexueller Gewalt schließt.
„Die Erfahrung der sexuellen Gewalt ist für Betroffene eine traumatische Belastung und für die ärztliche Versorgung in der Regel eine Herausforderung außerhalb der routinierten Regelversorgung. Bisherige Erfahrungen aus der gesundheitlichen Versorgung von Gewaltopfern zeigen, dass eine optimierte Organisationsstruktur und Vernetzung mit außermedizinischen Hilfsangeboten alle involvierten Personen unterstützen und entlasten kann“, erläuterte Landrat Michael Köberle. Jetzt haben auch Vergewaltigungsopfer, die nicht unmittelbar Strafanzeige stellen wollen, die Möglichkeit, im St. Vincenz-Krankenhaus in Limburg und im Kreiskrankenhaus in Weilburg forensische Spuren und Beweismittel sichern zu lassen. Für die Spurensicherung, Transport und die anschließende Lagerung im Institut für Rechtsmedizin Gießen entstehen den Vergewaltigungsopfern keine Kosten. „Die benötigten Mittel hat der Kreistag zur Unterstützung des Projektes genehmigt“, so Landrat Köberle weiter.
Die Beweismittel werden ein Jahr vertraulich verwahrt. Innerhalb dieser Zeit haben Betroffene Gelegenheit, sich bewusst und in Ruhe für oder gegen eine polizeiliche Anzeige zu entscheiden. Sollte sich für eine Anzeige entschieden werden, fordert das zuständige Kommissariat des Polizeipräsidiums Westhessen die Beweismittel an und verwendet sie im Strafverfahren. Ansonsten werden die gesicherten Daten nach Ablauf eines Jahres automatisch vernichtet. Im Fokus der medizinischen Versorgung und der psychosozialen Unterstützung stehen aufgrund der hohen Betroffenenzahlen Frauen und Mädchen, aber ebenso gilt das Angebot für Jungen und Männer, die Opfer sexueller Gewalt wurden.
Nach einer Studie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat jede siebte Frau in ihrem Leben strafrechtlich relevante Gewalt erlebt. Aber nur fünf Prozent der Frauen, die vergewaltigt wurden, zeigen diese auch an.
In der polizeilichen Kriminalstatistik für das Jahr 2017 sind im Landkreis Limburg-Weilburg 109 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung erfasst worden;
darunter waren 19 Vergewaltigungen. In 2018 gab es 92 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und 14 Vergewaltigungen.
Das Projekt wird in Kooperation mit den Beratungsstellen „Gegen unseren Willen e.V.“ – Beratungs- und Präventionsstelle zu sexueller Gewalt im Landkreis Limburg-Weilburg – und der Beratungsstelle „pro familia e.V. Limburg“ sowie mit Unterstützung niedergelassener Ärztinnen und Ärzte durchgeführt. Weitere Unterstützer im Netzwerk sind: Frauenhaus Limburg, Lebenshilfe Limburg-Diez, Opferhilfe Limburg-Weilburg, donum vitae, Kreisgesundheitsamt, Polizeidirektion Limburg (Dezernat K 10), Staatliches Schulamt (Schulpsychologischer Dienst) und die Frauenbeauftragte der Stadt Limburg.
(Quelle: Pressemitteilung, Landkreis Limburg-Weilburg)