Das Factory Outlet Center Montabaur (FOC) darf seine riesige Verkaufsfläche verdoppeln. Diese Nachricht sorgt in Neuwied für Irritation: Warum wird ein Konsumtempel erweitert, der niemals den Charme eines Stadtbummels haben wird? Durch den komfortablen Onlinehandel geht es beim Shoppingtrip heutzutage mehr um das Erlebnis als nur um Konsum und Handel. Allerorten werden Innenstädte modernisiert, um diesem Wandel Rechnung zu tragen. Große städtebauliche Projekte zielen darauf ab, die Innenstadt wieder zum Ort für emotionale Erlebnisse werden zu lassen. In Neuwied wird aktuell der Marktplatz neugestaltet, kürzlich ist der Raum zwischen Rhein und Deich für die Bürgerinnen und Bürger erschlossen worden. Diese Maßnahmen kommen gut an – aber zum besonderen Erlebnis wird der Ausflug auch dank der italienischen Eisdiele, dank der Kunstwerke im Artothek-Schaufenster und der zufälligen Begegnung mit einem alten Klassenkameraden. „Diesen Charme zu erhalten und zu stärken, darum bemühen wir uns gemeinsam mit dem ortsansässigen Handel und vielen engagierten Akteuren in unserer Innenstadt“, berichtet Oberbürgermeister Jan Einig. Denn zu einer attraktiven City gehört auch ein attraktives Einkaufsangebot, ist er überzeugt.
Enttäuscht ist man im Rathaus der Stadt, weil die Erweiterung des FOC den Bemühungen der vergangenen Jahre entgegenwirkt. Einig beschreibt es als den sprichwörtlichen Kampf gegen Windmühlen: „Es kann doch nicht sein, dass wir überall darum kämpfen, unsere Innenstädte zu retten, während andere alles daransetzen, noch mehr Umsatz vom bedrohten lokalen Einzelhandel abzuziehen. Die großen Player profitieren davon, dass sie die Mittel haben, riesige Shoppingzentren zu errichten, während die Innenstädte als Einkaufsort veröden.“
Das veränderte Kaufverhalten durch die Verlockungen des Onlinehandels sei eine Herausforderung, der man in den Städten mit kreativen Konzepten begegne, betont Neuwieds Oberbürgermeister. So habe Neuwied bereits viel für eine hohe Aufenthaltsqualität in der Innenstadt getan und über diverse Förderprogramme innovative Projekte ermöglicht. „Wir möchten, dass die Innenstadt ein Ort der Begegnung ist. Ein Baustein dafür ist der lokale Handel, den wir nach Kräften unterstützen. Klar ist aber auch: Der Euro kann nur einmal ausgegeben werden. Und wer ihn im Outlet Center ausgibt, kann ihn nicht in der Innenstadt ausgeben. Dabei ist dort jeder Umsatz viel mehr wert – denn eine Innenstadt ist mehr als Konsum, sie ist bestenfalls das gemeinsame Wohnzimmer unserer Bürgerinnen und Bürger.“
Darum habe Neuwied sich nach Bekanntwerden der FOC-Pläne gemeinsam mit anderen Kommunen dafür eingesetzt, die Erweiterung zu stoppen. Vergebens, wie sich nun zeigt – die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord hat zugunsten des Outlet-Riesen entschieden. (Quelle Stadt Neuwied)