Wohnraum oder Naturschutz? Um diese Abwägung ging es bei der jüngsten Sitzung des Montabaurer Stadtrats – mit Blick auf das geplante Baugebiet Färbersahlen. Beide Optionen wurden schließlich berücksichtigt: Der südliche Teil des Plangebiets ist eine „magere Flachland-Mähwiese“, also ein Biotop, das grundsätzlich nicht bebaut werden darf. Hier entschied der Rat einstimmig, den Bereich unberührt zu lassen. Anderenfalls hätte man eine Befreiung beantragen können, um die beabsichtigte Bebauung möglicherweise doch noch zu realisieren. Der andere, nördlich gelegene Bereich soll jedoch zu einem kleinen Wohnbaugebiet mit 18 bis 20 Bauplätzen entwickelt werden - so das knappe Ergebnis der zweiten Abstimmung.
Bild / Quelle: VG Montabaur
Das geplante Neubaugebiet Färbersahlen, aufgenommen vom Stadtbalkon am Karoline-Kahn-Platz. Nach dem Beschluss das Stadtrats soll nun nur noch der nördliche Teil mit Wohnhäusern bebaut werden, der südliche Teil ist ein geschütztes Wiesen-Biotop und bleibt deshalb unberührt.
Das Plangebiet Färbersahlen umfasst eine etwa 4 Hektar große Fläche zwischen der Tonnerrestraße im Osten, dem Aubach im Westen, der Agentur für Arbeit im Süden und dem Wohngebiet Kesselwiese im Norden. Der Bach, der samt Auenbereich pauschal geschützt ist, wird von dem Vorhaben ohnehin nicht tangiert. Nun kam ein neues ergänzendes Naturschutz-Gutachten zu dem Resultat, dass es sich bei der südlichen Hälfte des Plangebiets um eine magere Flachland-Mähwiese mit geschützten und bedrohten Arten handelt. So wachsen hier der Knöllchen-Steinbrech und das Wiesen-Habichtskraut, und es wurden auch zwei seltene Tagfalter-Arten nachgewiesen: das Ampfer-Grünwidderchen und der Weiße Waldportier. Die Wiese ist zudem reich an Insekten, und diese wiederum sind eine wichtige Nahrungsquelle für die vielen verschiedenen Vögel, die in einem Gehölzstreifen am östlichen Bebauungsrand brüten.
Eine magere Flachland-Wiese ist nach dem Landesnaturschutzgesetz Rheinland-Pfalz ein Biotop, das grundsätzlich nicht bebaut werden darf. Juristisch betrachtet, sind die Schaffung von Wohnraum und der Naturschutz gleichwertige Güter. Wenn für das Areal Färbersahlen bei der Kreisverwaltung ein Antrag auf Befreiung von dem Verbot gestellt würde, müssten stichhaltige Argumente erbracht werden, warum das Gemeinwohl – sprich eine Wohnbebauung – in diesem Fall höher zu bewerten ist. „Dieser Nachweis kann nicht erbracht werden“, erklärte Stadtbürgermeisterin Gabi Wieland in der Sitzung des Stadtrats. Sie appellierte daher an die Mitglieder, auf einen Befreiungsantrag zu verzichten und das Plangebiet so zu verkleinern, dass die Biotopfläche außen vor bleibt. Dieser erste Beschluss wurde einstimmig gefasst.
Im zweiten Schritt hatte der Stadtrat zu entscheiden, ob die nördlich gelegene Hälfte des Plangebiets, also angrenzend an das Wohngebiet Kesselwiese, separat zum Wohnbaugebiet entwickelt wird oder ebenfalls unberührt bleibt. Diese Diskussion wurde kontrovers geführt. Der CDU-Fraktionsvorsitzender Peter Hülshörster signalisierte Zustimmung zur Fortführung des Verfahrens und wies darauf hin, dass am Rand der Magerwiese Fuß- und Radwege verlaufen sollen. Das war auch für Christof Frensch (FWG) ein wichtiges Argument; seine Fraktion tendierte ebenfalls zur verkleinerten Planungsfläche, bleibt aber grundsätzlich skeptisch. Shalin Normann (Bündnis 90 / Die Grünen) zeigte sich hingegen erfreut, dass dem Naturschutz Rechnung getragen wird.
Für die SPD stellte Harald Birr die Grundsatzfrage, ob das Areal Färbersahlen überhaupt noch als Baugebiet in Frage komme. Die FDP lehnte eine Reduzierung ab und sah keinen Sinn darin, die Pläne überhaupt weiterzuverfolgen. Fraktionsvorsitzender Thomas Selbach schlug vor, die Besitzer der Grundstücke zu fragen, ob sie überhaupt verkaufsbereit seien. Das ist offenbar häufig nicht der Fall, wie Gerd Becher von der Bauverwaltung der Verbandsgemeinde Montabaur berichtete. Er betonte, dass rechtlich gesehen Umwelt- und Naturschutz genauso wichtig seien wie neuer Wohnraum.
Am Ende des Debatte stand die zweite Abstimmung, die denkbar knapp ausfiel: 12 Ratsmitglieder sprachen sich dafür aus, die Planung mit dem verkleinerten Gebiet fortzusetzen, 11 waren dagegen. „Wir sollten nun die Planung für das verkleinerte Baugebiet vorantreiben und vor allem jungen Familien die Chance geben, Eigentum in einer naturgerechten Umgebung zu erwerben“, sagte Gabi Wieland abschließend.