Schwerbehindert? Damit verbindet sich automatisch das Bild des Rollstuhlfahrers oder des Blinden mit Hund. Manch einem ist die Beeinträchtigung jedoch nicht anzusehen: Schwerbehindert ist zum Beispiel auch die junge Frau mit Diabetes oder der Autist in seiner Zahlenwelt. „Wir möchten vor allem klar machen: Ein Handicap ist kein Hindernis, die erforderliche Leistung am Arbeitsplatz zu erbringen“, sagt Madeleine Seidel, Leiterin der Agentur für Arbeit Montabaur. In Zeiten zunehmenden Fachkräftebedarfs lenkt sie den Blick verstärkt auf dieses Potenzial – nicht nur während der „bundesweiten Woche der Menschen mit Behinderung“, die alljährlich Anfang Dezember im Kalender steht.
378 Schwerbehinderte waren Ende November im Agenturbezirk arbeitslos gemeldet; das sind 30 weniger als vor einem Jahr. Somit konnten auch sie von der guten Entwicklung am Arbeitsmarkt profitieren. Gesplittet nach den beiden Landkreisen, die die Arbeitsagentur Montabaur betreut, sieht es so aus: Im Westerwaldkreis haben 233 beeinträchtigte Männer und Frauen keinen Job (14 weniger als im November 2015), im Rhein-Lahn-Kreis sind es 145 (16 weniger als im November 2015). An der Arbeitslosigkeit insgesamt hat diese Personengruppe einen Anteil von 6,6 Prozent.
Die meisten Arbeitslosen mit Handicaps haben gute Voraussetzungen für eine Integration ins Berufsleben. Denn sie können vorweisen, was heute fast unerlässlich ist: eine Qualifikation. 62 (WW: 61, RL: 65) Prozent besitzen eine schulische, betriebliche oder akademische Ausbildung; die Nicht-Behinderten, die keine Beschäftigung haben, kommen auf lediglich 47 (WW: 46, RL 48) Prozent.
Madeleine Seidel betont: „Am passenden Arbeitsplatz sind behinderte Menschen genau so leistungsfähig wie nicht-behinderte. Handicaps können häufig organisatorisch oder durch moderne Technik ausgeglichen werden. Wenn dies gelingt, profitieren beide Seiten – Arbeitgeber und Arbeitnehmer!“
Schwerbehinderte haben ein kaum erhöhtes Risiko, den Job zu verlieren. Wenn dies allerdings geschieht, bleiben sie deutlich länger arbeitslos als Personen ohne Beeinträchtigung. Auch bei der Altersstruktur gibt es deutliche Unterschiede. Unter den Arbeitslosen mit Handicap sind 56 Prozent über 50 Jahre alt, unter denen übrigen sind es 35 Prozent. Das erklärt sich auch dadurch, dass die Wahrscheinlichkeit, chronisch krank zu werden oder nur noch eingeschränkt arbeitsfähig zu sein, im Laufe des Lebens steigt.
Um die Beschäftigungschancen zu erhöhen, sind Unternehmen mit mindestens 20 Arbeitsplätzen gesetzlich verpflichtet, mindestens 5 Prozent dieser Stellen mit Behinderten zu besetzen (siehe Infokasten). Die neueste Statistik nach dem so genannten Anzeigeverfahren datiert wegen der Meldefristen aus dem März 2016. Demnach gab es im Agenturbezirk Montabaur 561 Betriebe, die die „Fünf-Prozent-Klausel“ erfüllen mussten – 389 im Westerwald- und 172 im Rhein-Lahn-Kreis. Von insgesamt 2.437 Pflichtarbeitsplätzen (WW: 1.759, RL: 678) blieben 950 unbesetzt (WW: 735, RL: 215). Der Sollwert wurde deutlich unterschritten. Insgesamt lag die Beschäftigungsquote Schwerbehinderter bei 3,3 Prozent; im Westerwaldkreis waren es 3,1 Prozent, im Rhein-Lahn-Kreis 3,7 Prozent.
„Einen Job zu haben, ist für jeden wichtig“, sagt Madeleine Seidel. „Denn das bedeutet nicht nur, den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen und für sich selbst sorgen zu können. Der Beruf ermöglicht auch die Teilnahme am Leben und bewahrt nicht selten vor Isolation. Eine ,bunte´ Belegschaft, die die Vielfalt der Gesellschaft spiegelt, ist eine Bereicherung für uns alle. Wenn dies alltäglich und normal ist, verschwinden Vorurteile und Berührungsängste von selbst.“
Der gemeinsame Arbeitgeberservice der Arbeitsagentur und der Jobcenter Westerwald und Rhein-Lahn wirbt bei den Betrieben für die Einstellung schwerbehinderter Menschen, die auf Stellensuche sind und informiert über Gesetze, Regelungen und Fördermöglichkeiten. Interessierte Unternehmen wählen die kostenlose Servicenummer 0800 4 5555 20.