Für Experten und Wirtschaft bleiben aber noch Wünsche offen
WW. Wer Inklusion will, findet einen Weg - wer sie nicht will, findet Ausreden! So kann man das Ergebnis einer ganztägigen Inklusionsrundreise zum Thema Arbeit für Menschen mit Behinderung im Westerwald zusammenfassen (die Medien im WW haben darüber umfassend berichtet). Deutlich wurde, dass sich viele heimische Unternehmen engagieren, die Zahlen aber nicht zufriedenstellend sind und noch zu viele Menschen mit einem Handicap auf dem Arbeitsmarkt keine Chance bekommen. In der vergangenen Woche hat der Bundestag ein „Gesetz zur Förderung eines inklusiven Arbeitsmarktes“ beschlossen, das ab 2024 gelten wird. Was sich Experten und Unternehmer im Westerwald davon erhoffen, hat der Senioren- und Behindertenrat (SBR) WW, der auch die Inklusionstour organisiert hatte, erfragt.
Das SBR-Netzwerk ist davon überzeugt, dass bei passenden Rahmenbedingungen, viel mehr Arbeitsplätze im Westerwald von einem Menschen mit einer Behinderung gut ausgefüllt werden können. „Oft muss nur Geringfügiges angepasst werden“, ist Uli Schmidt (Horbach) als Koordinator des SBR überzeugt. Das Gesetz sieht insbesondere eine Erhöhung der sogenannten Ausgleichsabgabe für Unternehmen vor, die keine Schwerbehinderten beschäftigen, obwohl sie dazu verpflichtet sind. Außerdem gibt es einige Verbesserungen bestehender Instrumente. Hilfreich ist auch die Aufhebung der Deckelung des Lohnkostenzuschuss. Insgesamt erhofft sich der Gesetzgeber eine zielgenauere Unterstützung für Menschen mit Schwerbehinderung.
An der Debatte und Abstimmung im Bundestag teilgenommen hat die heimische Bundestagsabgeordnete Dr. Tanja Machalet, für die mit dem Gesetz auch Versprechen des Koalitionsvertrages der Ampel umgesetzt werden. „Mit mehr Inklusion auf dem ersten Arbeitsmarkt, mehr Inklusion bei regulärer Beschäftigung, gewinnen wir nicht nur die Kompetenz und Erfahrung von Menschen mit Behinderung, sondern bieten ihnen auch mehr gesellschaftliche Teilhabe – gerade hinsichtlich des Fachkräftemangels“, fasst die MdB ihre Einschätzung zusammen.
Es gibt auch erste Simmen aus der heimischen Wirtschaft, so von der Hörter Tonwarenfabrik mit Sitz in Ransbach-Baumbach. „Von dem neuen Gesetz erhoffen wir uns, dass mehr Arbeitgeber aus unserer Region in der Beschäftigung von Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen eine Chance sehen“ so Personalleiter Carsten Neuroth. Er sieht in der der Deckelung für den Lohnkostenzuschuss einen weiteren Anreiz und weist nach vielen positiven Erfahrungen in der traditionsreichen Tonwarenfabrik darauf hin, dass es immer für Arbeitgeber lohnend ist, sich mit diesem Thema zu beschäftigen.
Auch Dirk Körting als Geschäftsführer der Westerwald-Logistik GmbH in Moschheim begrüßt grundsätzlich jede Initiative zur Förderung von inklusiver Beschäftigung, sieht aber Optimierungsbedarf beim Schwerpunkt des neuen Gesetzes, den Sanktionen gegen Unternehmen, die ihre Verpflichtung nicht erfüllen können oder wollen. „Die Unternehmen, die keine inklusive Beschäftigung wollen, werden auch die erhöhten Sanktionen zahlen und die Preise Ihrer Dienstleitungen bzw. Produkte entsprechend erhöhen“, so der engagierte Unternehmer. Er weist darauf hin, dass er aktuell sehr gerne im Bereich Büro, Lager oder auch Auslieferung für die Tätigkeit geeignete Menschen mit Behinderung einstellen will, dafür aber keine Bewerbungen vorliegen.
Als sozialer Träger von Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen begrüßt Armin Gutwald als Geschäftsführer der Caritas-Werkstätten Westerwald-Rhein-Lahn mit Sitz in Montabaur die im neuen Gesetz geregelte Aufhebung der Lohnkostendeckelung beim Budget für Arbeit. „Dadurch werden auch „höherwertigere“ Stellen zur Besetzung mit Menschen mit Schwerbehinderung für Unternehmen interessanter“ so der erfahrene WfbM-Manager. Grundsätzlich hält er das Gesetz mangels noch immer überzeugender Anreize nicht wirklich für geeignet, die Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung auf dem ersten Arbeitsmarkt entscheidend zu verbessern. Er vermisst beispielsweise Unterstützungsleistungen für Integrationsassistenten und Job-Coaches im betrieblichen Alltag.
Ein Gastgeber der Arbeits-Inklusionsrundreise war auch die Medizinisch-Berufliche-Reha (MBR) an der BDH-Klinik in Vallendar. Dessen langjähriger früherer Leiter und heutiges Vorstandsmitglied Lothar Lehmler bemängelt, dass wieder einmal die Bestrafung der Unternehmen, die keine Menschen mit Behinderung einstellen, zu sehr im Mittelpunkt steht. „Ein wichtiger Ansatz wäre, den Menschen mit Behinderung zumindest verpflichtend die Chance auf ein Praktikum zu geben, damit sie sich beweisen können“, so der BDH-Mann. Arbeitsabläufe in geeigneten Unternehmen könne man an die Leistungsfähigkeit der behinderten Menschen oft mit einfachen Hilfsmitteln anpassen und die Bewerber auf bestimmte Tätigkeiten hin fit machen. „Das und anderes kommt mir nach wie vor zu kurz“, stellt Lehmler fest.
Der SBR begrüßt das Gesetz als einen weiteren Schritt zur Stärkung inklusiver Arbeit auch in Westerwälder Unternehmen und Verwaltungen, sieht darin jedoch noch nicht den erhofften Richtungswechsel. „Wir wollen uns gemeinsam mit Menschen mit Behinderungen, engagierten Unternehmen, gemeinnützigen Organisationen, Wohlfahrts- und Fachverbänden sowie demokratischen Parteien weiterhin dafür einsetzen, dass es weitere Fortschritte gibt“, so das Netzwerk mit Blick in die Zukunft. Wer in den SBR-Infoverteiler aufgenommen werden oder die Arbeit des Netzwerkes unterstützen will, kann sich melden bei Uli Schmidt unter Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!. (Quelle Uli Schmidt)