Renovierungsarbeiten beendet – Fassade war in desolatem Zustand
Westerwaldkreis. Ende 2018 schrillen in Montabaur die Alarmglocken. Aus dem Turm der Evangelischen Pauluskirche wächst ein Bäumchen, und auf dem Fußweg daneben liegen Gesteinsbrocken. Ein ganz schlechtes Zeichen für ein fast 150 Jahre altes Gotteshaus. Die Gemeinde entschließt sich, einen genaueren Blick auf die Fassade zu werfen. Beziehungsweise: werfen zu lassen. Sie bittet den erfahrenen Restaurator Stefan Klöckner und den Architekten Thomas Heinrich, den Turm unter die Lupe zu nehmen. Was die Profis sehen, ist beunruhigend: Die Mauern sind so marode, dass es mit ein paar Ausbesserungen nicht getan ist: Fast zwei Jahre dauern die Arbeiten. Nun ist der Montabaurer Glockenturm wieder sicher – und das Schutzgerüst ist ebenfalls überflüssig.
Pfarrerin Anne Pollmächer erinnert sich noch gut an den Tag, an dem Klöckner und Heinrich das Mauerwerk zum ersten Mal inspizieren. „Der vorläufige Befund war so besorgniserregend, dass uns nichts anderes als eine Notsanierung übrigblieb.“ Der Turm wird sofort mit einem Gerüst und einem Bauzaun abgesperrt, um Fußgänger vor herabfallenden Steinen zu schützen.
Dann sehen sich die Experten das Sorgenkind genauer an: „Fast alle Trachyt-Steine, auf die Wasser auftrifft, waren in schlechtem Zustand. Und es gab noch ein größeres Problem: Die Steine sind von Anfang an falsch eingebaut worden“, sagt Restaurator Stefan Klöckner. Üblicherweise werden die Gesims-Blöcke in das Mauerwerk eingeschoben, damit das auftreffende Wasser problemlos ablaufen kann. Beim Bau der Pauluskirche haben solche Details vor 150 Jahren offenbar keine Rolle gespielt. Denn deren Gesims-Steine sind nur aufgesetzt und nicht ins Mauerwerk eingebunden. Das bedeutet: Irgendwann können die Fugen das Wasser nicht mehr abhalten, und das dringt dann ungehindert in den Turm ein, statt abzufließen, erklärt Klöckner: „Das Mauerwerk wird also ständig mit Wasser durchspült und löst sich allmählich auf. Für Pflanzen ist sowas natürlich ein klasse Nährboden!“
Aber nicht für Kirchgänger. Denn im Laufe der Jahre wird es im Gestein und im ganzen Glockenturm immer feuchter, sodass auch die Hölzer des Glockenturmes beschädigt werden. Für die Statik des Turmes ist das Gift. „Man hat den Fehler im 19. Jahrhundert also eingebaut und im Laufe der Zeit nie vernünftig behoben, sondern immer nur notdürftig geflickt“, sagt der Restaurator.
Mit der Flickschusterei ist Ende 2018 allerdings Schluss. Klöckner und sein Team machen’s richtig statt dünn drüber. „Das ist nicht in ein paar Wochen erledigt, aber es ist vernünftig. Wir machen keine Lust-Restaurierung, sondern erhalten das, was funktioniert und beheben alles, was behoben werden muss“, sagt er. Eine klare Ansage, die freilich einiges an Zeit und Geld kostet. Während der zwei Jahre, in denen die Experten den Turm sanieren, bessern sie einen ganzen Mängelkatalog aus: Sie reinigen beispielsweise die Fassade, erneuern die beschädigten Fugen, tauschen kaputte Steine und Ziegel gegen neue, authentisch gebrannte aus, tragen das marode Mauerwerk ab und mauern neues auf, verschließen Fugen der wasserführenden Flächen mit Blei, erweitern das Holzwerk, streichen es mit Leinölfarbe und arbeiten das Eingangsportal der Kirche auf. Außerdem wird das Dach neu gedeckt, hat eine Regenrinne und einen neuen Blitzschutz bekommen, die gesamte Dachkonstruktion und Glockenaufhängung ertüchtigt – und die Kirche hat sogar ein wunderschön aufgearbeitetes Turmkreuz.
Insgesamt schlägt die Turmsanierung mit rund 630.000 Euro zu Buche. Da es sich um eine Notsanierung handelt, trägt die Gesamtkirche 80 Prozent der Kosten und die Kirchengemeinde einen Eigenanteil von 20 Prozent. „Die Kosten sind im Rahmen geblieben und werden ständig kontrolliert“, betont Pfarrerin Anne Pollmächer und glaubt, dass das Geld mehr als gut angelegt ist – nicht nur, weil der Turm nun wieder sicher ist, sondern nun auch die Glocken wieder läuten können.
Die Sanierungsarbeiten konnten im Dezember abgeschlossen werden. Das, was nun noch anfällt, sind Kleinigkeiten, wie eine neue Begrünung. Das Wichtigste ist, dass die Gläubigen nun wieder (sorgen)freien Zutritt zur Pauluskirche haben – ohne, dass ihnen ein Turmgerüst oder gar Steine im Weg sind. (bon) (Quelle Evangelisches Dekanat WW)