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Indirekte Kriegsfolgen in Deutschland abfedern – Faire Lastenverteilung bei Unterbringungskosten

Die humanitäre Krise durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine verschärft sich mit jedem Tag. Dadurch wurde die größte Flüchtlingsbewegung in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg ausgelöst. Bund und Länder waren sich bei der gestrigen Ministerpräsidentenkonferenz einig, dass die Ukraine und die Nachbarländer Polen und Moldau die Unterstützung von Deutschland und der Europäischen Union benötigten. Die Aufnahme der Kriegsflüchtlinge in Deutschland gehöre dazu. Um das gut zu bewältigen, habe man sich darauf verständigt, die Zuständigkeiten aller verantwortlichen Ebenen klar zu regeln und eine Lastenverteilung bei der Finanzierung der Unterbringung, der Gesundheitsversorgung und der Integration der Kriegsflüchtlinge vorzunehmen, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer heute in Mainz.

„Der andauernde brutale Krieg von Wladimir Putin gegen das ukrainische Volk verschärft die Lage vor Ort zusehends. Die furchtbaren Bilder brennen sich bei uns ein und werden nicht vergessen. Für die Landesregierung steht deshalb außer Frage, dass wir den aus der Ukraine geflüchteten Menschen helfend zur Seite stehen und Schutz bieten. Wir erleben auch in der Bevölkerung eine überwältigende Hilfsbereitschaft, sei es bei der Unterbringung oder der Versorgung. Auch viele ehren- und hauptamtliche Helfende sind unermüdlich im Einsatz. Ihnen allen gehört mein großer Dank! Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass im Land und in den Kommunen ausreichende Mittel für die Kraftanstrengung der Unterbringung, der Gesundheitsversorgung und der Integration der Flüchtlinge zur Verfügung stehen. Es ist deshalb ein wichtiger Schritt, dass jetzt eine verbindliche Kostenverteilung vereinbart wurde. Ich bin dankbar, dass die Bundesregierung angekündigt hat, angesichts der grausamen Kriegsverbrechen der russischen Armee, die kürzlich bekannt geworden sind, die Sanktionen zu verschärfen. Die konsequente Umsetzung dieser Sanktionen werden wir im Rahmen der Task Force Sanktionen der Bundesregierung unterstützen, um eine möglichst effektive Durchsetzung der Sanktionen sicherzustellen“, betonte Ministerpräsidentin Dreyer.

Verteilung der Geflüchteten

Die Verteilung auf die Länder erfolgt nach Königsteiner Schlüssel. Der Bund ist für die Koordinierung zuständig und informiert die betreffenden Länder jeweils über die anstehenden Verteilungen. Die Länder werden sich solidarisch zeigen, um diejenigen Länder zu unterstützen, in denen besonders viele Geflüchtete Zuflucht gefunden haben. Die Bundesregierung wird sich auf europäischer Ebene weiterhin für die Solidarität der Mitgliedstaaten bei der Aufnahme und Versorgung der Geflüchteten einsetzen.

Schnelle Registrierung

Die Geflüchteten sollen rasch und unkompliziert registriert werden. Grundsätzlich gilt, dass die meisten Geflüchteten für 90 Tage visumfrei einreisen können. In Rheinland-Pfalz bestehen bereits Absprachen zwischen Sozialämtern, Einwohnermelde- und Ausländerbehörden zur Optimierung der Verfahrensabläufe für eine schnelle Registrierung nach Ablauf dieser 90 Tage beziehungsweise sobald staatliche Leistungen beantragt werden. Der Bund hat zugesagt, die Länder bei der Registrierung personell und materiell zu unterstützen. So wird der Bund weitere Personalisierungsinfrastrukturkomponenten (Erfassungsterminals PIK) beschaffen. Außerdem vereinbarten Bund und Länder, dass die neue Datenbank “Fachanwendung zur Registerführung, Erfassung und Erstverteilung zum vorübergehenden Schutz - FREE” zügig überall eingeführt und optimiert wird. In den Ankunftszentren, Aufnahmeeinrichtungen und Ausländerbehörden können bundesweit von allen Ankommenden Name, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit und weitere personenbezogene Daten erfasst werden. FREE ermöglicht damit bereits vor der Registrierung im Ausländerzentralregister eine individualisierte und nachvollziehbare Verteilung auf die Länder und Kommunen. Die Verteilentscheidungen sollen später nachvollzogen und Doppelanmeldungen und -verteilungen verhindert werden. Dies soll auch zur Vermeidung von Menschenhandel und Zwangsprostitution beitragen.

Schnelle Arbeitserlaubnis ermöglichen

„Wir wollen den Geflüchteten schnell ermöglichen, bei uns Arbeit zu finden, die den Qualifikationen der Arbeitssuchenden entsprechen soll. Dafür gibt es eine Verständigung zwischen Bundesregierung und den maßgeblichen Dachverbänden der Wirtschaft: bei nicht-reglementierten Berufen soll eine Selbsteinschätzung der Geflüchteten aus der Ukraine zu ihren beruflichen Qualifikationen ausreichen. Bei reglementierten Berufen (Medizinberufe, Rechtsberufe, Lehramt an staatlichen Schulen) werden sich Bund und Länder für eine schnelle und einheitliche Anerkennung von ukrainischen Berufs- und Bildungsabschlüssen einsetzen. Durch ein einheitliches Vorgehen werden divergierende Einschätzungen – auch im Falle mehrfacher Antragstellung bei Wohnortwechsel – vermieden. Soweit europäische Vorgaben bestehen, setzt sich die Bundesregierung bei der Europäischen Kommission für rasche Lösungen ein. Ich danke ganz ausdrücklich den Unternehmen in Deutschland sowie den Behörden vor Ort für ihre Bereitschaft, dies unkompliziert möglich zu machen“, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer.

Schnelle Aufnahme von Kindern und Jugendlichen in Bildungseinrichtungen

Ukrainische Kinder und Jugendliche sollen schnell in die Schulen und Hochschulen aufgenommen werden. Auch der Zugang der Kinder zu Kindertagesbetreuungsangeboten soll weiterhin zügig ermöglicht werden. In Rheinland-Pfalz wurden bereits über 4.600 Kinder aus der Ukraine in Schulen aufgenommen. Die Hochschulen wollen Kriegsflüchtlinge bei einer Hochschulausbildung fördern. „Zunächst geht es kurzfristig um die Vermittlung von Hilfe in besonderen Notlagen. Unser langfristiges Ziel ist es, diesen jungen Menschen in unseren Hochschulen die Möglichkeit zu bieten, sie zu integrieren und auszubilden“, so die Ministerpräsidentin. Eine Koordinierungsstelle des Bundes unterstützt die Länder bei der Versorgung und dem Schutz von Waisenkindern und ihrer Betreuerinnen und Betreuer.

Unter den Schutzsuchenden aus der Ukraine befinden sich auch viele Menschen mit Behinderungen und mit Pflegebedarf. Bei der pflegerischen Versorgung wird darauf geachtet, dass die Betroffenen möglichst bei ihren gegebenenfalls mitgeflüchteten Angehörigen beziehungsweise Betreuungspersonal verbleiben können. Um eine gute Versorgung sicherzustellen und auf eine möglichst ausgewogene Einbeziehung der Kommunen hinzuwirken, werden der Bund und die Länder eine gute Koordination unter Einbeziehung der Bundesverbände der Leistungserbringer im Bereich der Behindertenhilfe und der Pflege vornehmen.

Schutzsuchenden schnell Impfangebot machen

„Allen Geflüchteten steht die breit aufgestellte Infrastruktur für die Corona-Schutzimpfung uneingeschränkt zur Verfügung. Alle, die sich impfen lassen wollen, bekommen kurzfristig einen Termin. Ein Ausweisdokument genügt. Es ist genügend Impfstoff vorhanden. Grundsätzlich gilt: Jeder und jede in Rheinland-Pfalz erhält die medizinische Versorgung, die benötigt wird“, so Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Hier stehe das Land im engen Austausch mit den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten. Zudem würden auch mobile Impfangebote für zum Teil verpflichtende Impfungen gegen andere Infektionskrankheiten, wie z. B. Masern, Röteln, Mumps, Diphterie oder Keuchhusten geprüft. Informationen über Test- und Impfangebote werden daher auch in ukrainischer Sprache zur Verfügung gestellt. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt für diejenigen, die eine Impfung mit einem nicht in der EU zugelassenen Impfstoff (Sputnik V, CoronaVac, Covilo und Covaxin) erhalten haben, eine zusätzliche einmalige Impfung mit einem in der EU zugelassenen mRNA-Impfstoff. Um die für die allgemeine Impfkampagne in Deutschland, aber auch für die Versorgung von Geflüchteten aus der Ukraine wichtige und flexible Infrastruktur vor Ort weiter aufrechtzuerhalten, wird der Bund die Impfzentren und mobilen Impfteams auch über den 31. Mai 2022 hinaus bis zum Jahresende 2022 mit einem Anteil von 50 Prozent finanziell unterstützen. Hierfür hat der Bund in diesem Jahr bisher monatlich knapp 100 Millionen Euro erstattet.

Individuelle finanzielle Unterstützung der Geflüchteten und Kosten der Gesundheitsversorgung

Hilfebedürftige Geflüchtete aus der Ukraine erhalten aufgrund der bereits jetzt bestehenden gesetzlichen Regelungen sofort eine Aufenthaltserlaubnis und werden daher künftig wie anerkannte hilfsbedürftige Asylsuchende finanziell unterstützt. Diese erhalten nach positiver Entscheidung über ihren Asylantrag Leistungen nach dem Zweiten beziehungsweise Zwölften Buch Sozialgesetzbuch. Bei den Geflüchteten aus der Ukraine ist keine solche Entscheidung nötig, da sie direkt Anspruch auf einen Aufenthaltstitel nach § 24 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) haben. Analog zu den anerkannten hilfsbedürftigen Asylsuchenden sollen die hilfsbedürftigen Geflüchteten aus der Ukraine in Zukunft ebenfalls diese Leistungen (SGB II beziehungsweise SGB XII) erhalten. Voraussetzung dafür wird eine Registrierung im Ausländerzentralregister und die Vorlage einer aufgrund der Registrierung ausgestellten Fiktionsbescheinigung oder eines Aufenthaltstitels nach § 24 Abs. 1 AufenthG sein. Die hierfür notwendigen gesetzlichen Anpassungen werden unverzüglich umgesetzt, sie sollen zum 1. Juni 2022 in Kraft treten.

Unterstützung bei den Kosten der Unterkunft, Gesundheitsvorsorge und Integration

Der Bund unterstützt die Länder und Kommunen im Jahr 2022 darüber hinaus mit insgesamt zwei Milliarden Euro bei ihren Mehraufwendungen für die Geflüchteten aus der Ukraine. Die Summe setzt sich zusammen aus:

- 500 Millionen Euro zur Unterstützung der Kommunen bei den Kosten der Unterkunft der Geflüchteten aus der Ukraine.

- 500 Millionen Euro zur Abgeltung der Kosten, die zur bisherigen Unterstützung der Geflüchteten aus der Ukraine im Bereich der Lebenshaltungskosten angefallen sind.

- einer Milliarde Euro als Beteiligung an den übrigen Kosten der Länder im Zusammenhang mit den Geflüchteten aus der Ukraine, etwa für die Kinderbetreuung und Beschulung.

Der Bundeskanzler und die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder kommen im Übrigen überein, Anfang November 2022 eine Regelung für das Jahr 2023 zu vereinbaren. Sie werden dabei auch über den Verlauf des Jahres 2022 und insbesondere die Entwicklung der Zahl der Geflüchteten aus der Ukraine beraten und bei einer signifikanten Veränderung der Lage auch für das laufende Jahr ergänzende Regelungen treffen.

Neben diesen finanziellen Zusagen hat der Bund zugesagt, im Einvernehmen mit den Ländern noch in diesem Jahr eine Regelung zur Verstetigung der Beteiligung des Bundes an den flüchtlingsbezogenen Kosten und den Aufwendungen für Integration der Länder und Kommunen zu finden (mit Wirkung ab dem 1. Januar 2022). Damit wird die Finanzierung der Flüchtlingsaufnahme auf eine dauerhafte Basis gestellt werden.

Ministerpräsidentin Malu Dreyer: „Ich bin dem Bundeskanzler dankbar, dass wir uns im Angesicht dieses Krieges in unserer europäischen Nachbarschaft so schnell auf die Kostenverteilung einigen konnten. Jetzt haben wir Planungssicherheit und können uns auf das Wesentliche konzentrieren: die Hilfe für die vor Putins Krieg Geflohenen.“

Indirekte Kriegsfolgen in Deutschland abfedern

· In Deutschland erleben Privathaushalte und Unternehmen enorme Preissteigerungen. Es ist wichtig, dass die Energie bezahlbar bleibt. Die Bundesregierung hat daher verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die Belastungen, insbesondere aus dem stetigen Anstieg der Energiepreise, abzumildern. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder sind sich einig, dass die weiteren Entwicklungen im Blick zu behalten und ggf. weitere Maßnahmen notwendig sind, um die Folgen für die Bevölkerung und Unternehmen abzufedern.

· Unternehmen, die unmittelbar von Sanktionen betroffen sind, sollen unterstützt werden. Die Europäische Kommission hat am 23. März 2022 den “Befristeten Krisenrahmen” beschlossen. Er gibt den Rahmen des europäischen Beihilferechts für staatlichen Hilfen vor. Die bundeseigene Förderbank KfW wird zinsgünstige Kredite für Unternehmen anbieten.

· Die Gewährleistung der Sicherheit der Energieversorgung ist von existenzieller Bedeutung. Deutschland muss schnellstmöglich unabhängig vom Import russischer Energieträger werden. Die Bundesregierung hat bereits verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die Energieimporte zu diversifizieren und die Resilienz des deutschen und europäischen Energiesystems zu stärken. Erneuerbare Energien sollen noch schneller ausgebaut werden. Dabei sind die Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie die Bereitstellung der für den Ausbau der erneuerbaren Energien benötigten Flächen durch Bund und Länder von großer Bedeutung.

· Die Ernährungssicherheit ist derzeit nicht akut gefährdet. Bereits jetzt ist jedoch weltweit eine deutliche Verknappung landwirtschaftlicher Rohstoffe und Produktionsmittel zu erkennen. Dabei kommt einer starken heimischen Ernährungs- und Landwirtschaft eine strategische Bedeutung zu, denn auch hierzulande gilt es, den starken Anstieg der Lebensmittelpreise abzufedern. Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder fordern die Bundesregierung daher auf, die Möglichkeiten auszuschöpfen, um das vorhandene Potential der Landwirtschaft konsequent zu nutzen. (Quelle Staatskanzlei Mainz)

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